Armin König

TTIP, Prognosen, Kaffeesatz

Je mehr ich über TTIP lese, umso spannender wird es. Ich halte von den Sprachfloskel-Broschüren, die mir gelegentlich um die Ohren gehauen werden, damit ich endlich verstehe, wie gut TTIP für kleine und mttllere Unternehmen (KMU) ist, überhaupt nichts. Stattdessen lese ich lieber Originaltexte und Gutachten.

So hat Prof. Gabriel Felbermayr für das (eher wirtschaftsfreundliche) ifo-Institut 2013 bemerkenswerte Zahlen veröffentlicht und dies auch in einem ntv-Interview erläutert. Von einem Jobwunder könne keine Rede sein auch nicht von einem Wachstumswunder. Die 180.000 Arbeitsplätze in Deutschland werden darüber hinaus nur auf sehr lange Frist entstehen.

In dem Interview sagt der Wissenschaftler: „Erstens kommen diese neuen Jobs nicht über Nacht, sobald das Abkommen unterschrieben ist. Das baut sich erst über 10 oder 15 Jahre auf. Zweitens kann es in der kurzen Frist andere Auswirkungen geben: Wahrscheinlich gehen erst einmal Jobs verloren. Die langfristigen Gewinne werden aber viel größer sein als die kurzfristigen Verluste. Von einem „Jobwunder“ zu sprechen, ist übertrieben. 180.000 ist eine Menge und jeder zusätzliche Arbeitsplatz ist gut. Aber es wäre nicht einmal ein halber Prozentpunkt der Beschäftigung in Deutschland – kein riesiger Effekt.“

Das Centre for Economic Policy Research (CEPR) kommt im Auftrag der EU-Kommission zu dem Ergebnis, dass dass Brutto-Inlandsprodukt in Europa durch TTIP bis 2027 um gerade mal 0,48 Prozent steigen wird. Wenn nur die Zölle wegfallen, sind es sogar nur 0,1 Prozent Wohlstandsgewinn bis 2027. (http://trade.ec.europa.eu/…/do…/2013/march/tradoc_150737.pdf)

Und wie kommentiert die Bertelsmann Stiftung die Studien? Nach der Methode Kaffeesatz:

„Die USA und alle EU-Mitgliedstaaten würden von einer umfassenden Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) in erheblichem Umfang profitieren. Sollte es gelingen, neben Zöllen auch nichttarifäre Handelshemmnisse weitgehend zu eliminieren, würde das reale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner deutlich steigen und neue Arbeitsplätze könnten geschaffen werden.“ Die Zahlen, die von Bertelsmann genannt werden, sind abenteuerlich.

Da ist die Sicht von Prof. Felbermayr sehr viel realistischer:

„Die Geschichte zeigt, dass die Liberalisierung des Handels zu größerer ökonomischer Ungleichheit führt. Wer heute schon ein hohes Einkommen hat, profitiert mehr als jemand, der ein niedriges Einkommen hat. Trotzdem können auch Menschen mit niedrigen Einkommen profitieren – nur eben in einem geringeren Ausmaß.“

Zum möglichen Wegfall von Jobs sagt Gabriel Felbermayr:
„Wir importieren in die USA ganz ähnliche Waren, wie wir importieren. Darum werden nicht einzelne Branchen verlieren, sondern es wird innerhalb von Branchen Gewinner und Verlierer geben. Die Gewinner werden die Firmen sein, die international wettbewerbsfähig sind, aber bislang nicht in die USA exportieren. Die Unternehmen, die nicht wettbewerbsfähig sind, werden einem größeren Druck ausgesetzt sein. Für die ganz großen Firmen, die schon international aufgestellt sind, wird es nur geringe Effekte geben.

Das heißt, ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb könnte daran zugrunde gehen, dass in den USA viel größere Flächen genutzt werden und Lebensmittel von dort billiger sind.“

Das sind erfreulich offene Aussagen.