Armin König

Kampagnen-Focus im Zeitalter der Narren – Von der Feigheit des Volkes und der Kulturkampf-Debatte?

Unter dem Titel „Das Zeitalter der Narren“ hatte Mario Vargas Llosa vor einer Woche im Focus geschrieben, nur noch das Spektakel errege heutzutage Aufmerksamkeit. Daran seien nicht nur die Medien schuld, sondern auch die Bürger. „Wir alle sind Komplizen“, stellte der Peruaner kritisch fest. Da war er noch nicht Nobelpreisträger.  Eine Woche später ist er es – und Focus-Chefredakteur Wolfram Weimer verhebt sich mit dem albernen Gag, seine Leitglosse ebenfalls unter das Motto „Das Zeitalter der Narren“ zu stellen – als falle damit etwas Nobel-Glanz auf den Magazin-Chef, der seinem Hochglanz-Heft jetzt einen „lachsfarbenen Debattenteil in der Heftmitte“ verordnet hat.

Man ist jetzt noch subjektiver, meinungsschärfer. So schreibt Weimer zu Stuttgart 21 (#S21): „Nun tobt sich das ‚Zeitalter der Narren‘ zuweilen im grünen Gewand aus. In Stuttgart etwa. Da quälen uns Öko-Fundamentalisten seit Jahren mit ihrer Miesmacherei gegen Autos und Flugzeuge. Bahn sollten wir gefälligst fahren. Doch nun organisieren ausgerechnet die den Barrikadensturm gegen einen Bahnhof. Es wird für jedes Kastanienbaumblatt protestiert, als gäbe es kein Morgen“.

Dem Bundespräsidenten wirft Weimer „die Gutmenschen-Verwechslung von Abendland und Morgenland“ vor.  Auf drei Seiten widerpricht Focus dem Bundespräsidenten. Kronzeuge gegen Christian Wulff ist Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst: „Es gibt eine christliche Leitkultur, Herr Bundespräsident.“ Das hat Wulff gar nicht bestritten.

Weimer schreibt auch, warum ihn die Rede so ärgert, denn „natürlich ist Deutschland keine Umkleidekabine der Kulturen“. Von welcher Umkleidekabine hat Wulff denn bloß gesprochen? Er war mal in Südafrika, bei der DFB-Elf. Aber davon war doch in seiner viel diskutierten Rede keine Rede – oder hab ich etwas überhört? Oh heiliger Narr, was fabulierst du da?!, möchte man dem Chefredakteur Weimer zurufen, der in seiner Leitglosse „Im Zeitalter der Narren“ so wunderliche Dinge schreibt.

Aber ach, es ist nicht Narretei. Das Ganze hat Methode. Der Narr spitzt zu, er übertreibt, reißt Possen in seinen Glossen.

„Wir sind ein feiges Volk“, titelt die Redaktion auf Seite 34, obwohl Klaus-Peter Schöppner in seinem Namensartikel deutlich vorsichtiger formuliert: „Die Deutschen sind ein bisschen feige“. Sie gäben „den Angsthasen“.

Die allseits als Neokons bekannten Maxeiner/Miersch polemisieren gegen Volkes „Gutmenschentum“ mit 10 angeblichen Ökogeboten, über Horst Seehofers Interview prangt der Titel: „Wer nicht arbeit will, kriegt kein Hartz IV“. Von „Drückebergern“, die im Untertitel stehen, ist übrigens im Interview gar nicht die Rede, sofern ich es nicht bei fünfmaligem Lesen doch übersehen habe.

Gescholten werden im Focus die „blockierte Republik“ und die „satten Wessis“, Insekten und Vögel werden zu „Blockade-Tieren“ stilisiert, um den Fortschritt in Deutschland zu verhindern. Motto: „Morgen soll gestern sein“. Fortschrittsfrust sei ein Charakteristikum „der Neckarstädter (der Schwaben? Der Deutschen?)“.  Und zur Abrundung heißt es: „Stuttgart 21: Sind wir eigentlich verrückt geworden“.

Man kann ein Magazin so positionieren.

Unter Roger Köppel – auch einer, der stets gegen vermeintliche Denkverbote polemisiert, die gar keine sind –  ist das Springer-Flaggschiff WELT mit einer solchen scharfen Profilierung gescheitert. Weimer eifert Köppel mit dem Focus kräftig nach.

Das ist mutig, aber riskant.

Beide sind allerdings Überzeugungstäter und stehen einander zumindest geistig nahe. Lorenz Jäger schreibt dazu in der FAZ:

„Köppel und Weimer gelten als „konservativ“. Die Idee des Konservativen, die dahintersteht, ist aus drei Elementen begründet: aus dem Kapitalismus in seiner fragwürdigsten Form – einer von gesetzlichen Umweltschutzauflagen weitgehend befreiten Industrie –, aus einer kämpferischen Idee des „Westens“ und aus seiner Frontstellung gegen den Islam im globalen Kulturkonflikt.“

Sie predigen Revolution durch Kapitalismus und Abgrenzung durch Leitkultur.

Konsequenterweise ruft Weimer die „große Kulturkampf-Debatte“ aus und fokussiert dies auf dem Focus-Titelblatt: „Wird Deutschland eine islamische Republik“?

Die Blochers, Sarrazins (und Seehofers) sind für Köppel und Weimer Bannerträger dieser Abgrenzungsideologie.

Man kann das so machen. Man muss das aber nicht lesen. Ich mag diese Art von Narretei nicht. Deshalb werde ich mein Focus-Abo wohl  kündigen. Helau und Alaaf und alleh hopp.