Armin König

Merkel und Biedenkopf zweifeln an Wachstumsparadigma

Erstaunliches tut sich in der Bundesrepublik Deutschland: Kanzlerin Angela Merkel und Ex-Sachsen-MP („König Kurt“) Biedenkopf zweifeln gleichermaßen am Wachstumsparadigma der Gesellschaft. Mir gefällt diese Entwicklung.

So lesen wir im Open Report: „Merkel will breitere Diskussion über Wirtschaftsstrategie bis 2020“. Weiter heißt es in dieser Meldung: „Berlin. Deutschland und Frankreich wollen im Europäischen Rat die Diskussion über eine Wirtschaftsstrategie für das Jahr 2020 verbreitern. „Wir müssen lernen, den Wachstumsbegriff für das 21. Jahrhundert neu zu definieren“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel heute in ihrem neuen Video-Podcast. Es gehe nicht nur um die ökonomischen Wachstumsgrößen, sondern „um ein Wachstum, das nachhaltigen Wohlstand sichert“. Sicherheit, Lebensqualität, Gesundheit und der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen spielten dabei eine entscheidende Rolle. Nächsten Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel über die Wachstums- und Wirtschaftsstrategie bis 2020 beraten. (dts Nachrichtenagentur)

Der CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf sieht einen zwingenden Zusammenhang zwischen der gigantischen Staatsverschuldung und einem falschen gesellschaftlichen Wachstumsverständnis. Danach müsse Wachstum durch immer höhere Staatsverschuldung erkauft werden. Dieser Weg aber führe in die Katastrophe. Das sagte Biedenkopf der WELT. Nach meiner Kenntnis ist dies ein Paradigmenwechsel bei Biedenkopf .Immerhin hat der Vordenker noch rechtzeitig die richtigen Schlüsse gezogen: „Man hat geglaubt, Märkte stabilisieren sich von selbst, begrenzen sich von selbst.“ Dies habe sich jedoch als Irrglaube erwiesen. Bei Gütermärkten, die eine echte Nachfrage zur Voraussetzung haben, gebe es eine natürlich Begrenzung. „Dort sagen die Menschen irgendwann: Ich brauche eigentlich nichts mehr, weil ich schon alles habe. Bei Finanzmärkten gibt es das aber nicht, weil man von Geld nie genug haben kann.“ Da sich Märkte nicht aus eigener Kraft ins Gleichgewicht bringen, müsse der Staat handeln. Als Ursache wachsender Staatsverschuldung sieht Biedenkopf allerdings ein grundlegendes Problem. Und zwar den ungebrochenen Glauben an ständiges Wachstum. Die gesamte Gesellschaft sei auf Wachstum ausgerichtet, dies sei eine Katastrophe. „Wir produzieren inzwischen nicht, um Nachfrage zu befriedigen, sondern wir erzeugen Nachfrage, damit wir produzieren können.“ Der Konsum werde zur Schlüsselfrage erklärt. Es gehe gar nicht mehr darum, ob die Leute das, was sie konsumieren, auch wirklich brauchen. „Ich habe nichts gegen Wachstum. Ich habe aber etwas gegen Wachstum, wenn es zu Lasten der Staatsfinanzen geht. Dann leihen wir uns das Wachstum von der kommenden Generation, um unsere gegenwärtigen Probleme zu erleichtern.“ Gleiches gelte für ein Wachstum zu Lasten endlicher Ressourcen. Auch dann werde die Zukunft in Anspruch genommen.

Armin König 2010