Widerspruch gegen Kreisumlage

Der Gemeinderat Illingen hat beschlossen, Rechtsmittel gegen die Kreisumlage 2014 einzulegen. Gleiche Beschlüsse haben auch die anderen Kreiskommunen im Landkreis Neunkirchen eingelegt. Der Widerspruch wird im November 2014 verhandelt.

In der Sitzungsvorlage des Gemeinderates Illingen wird der Widerspruch folgendermaßen begründet:

Rechtsmittel gegen die Festsetzung der Kreisumlage 2014

Mit Bescheid vom 23. Mai 2014 (eingegangen am 05.06.2014) wurde die Kreisumlage 2014 des Landkreises Neunkirchen für die Gemeinde Illingen auf 8.539.452,00 € festgesetzt. Damit steigt die Kreisumlage gegenüber der Festsetzung des Vorjahres von 8.088.120,00 € um 451.332,00 € an. Dies entspricht einem Steigerungssatz von 5,59. Im Doppelhaushalt 2013/2014 waren für das Haushaltsjahr 2014 auf der Grundlage der Finanzplanung des Landkreises 8.095.600,00 € veranschlagt. Dies hätte lediglich eine Steigerung von rund 7.000,00 € bedeutet.

Bereits bei der Verabschiedung des Kreishaushaltes 2014 haben die (Ober-) Bürgermeister der kreisangehörigen Kommunen den Anstieg der Kreisumlage gegenüber 2013 um insgesamt rd. 3,9 Mio. Euro kritisiert und eine Rechtsmittelprüfung gegen die Bescheide für das Haushaltsjahr 2014 angekündigt.

Seit Jahren ist eine stetige Steigerung der Kreisumlage festzustellen. Diese ständigen Erhöhungen sind in den kontinuierlich steigenden Kosten im Sozial- und Jugendhilfebereich begründet. Und dies trotz der zwischenzeitlich erfolgten Entlastungen durch den Bund bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter. Darüber hinaus kommen weitere Kostenbelastungen durch die Vorgaben für die Bereitstellung von Krippenplätzen und aktuell die anfallenden Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen, die der Landkreis als Kostenträger über die Kreisumlage an die Kommunen weitergibt.

Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Kommunen durch die anstehende Haushaltskonsolidierung im Zusammenhang mit der Schuldenbremse vor großen Herausforderungen stehen, die durch die aktuelle Diskussion um die Streichung der Mittel des Kommunalen Entlastungsfonds ab dem Haushaltsjahr 2015 verschärft wird.

Der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) hat am 5. Juni 2014 der Landesregierung und den Landtagsfraktionen einen Forderungskatalog zur kommunalen Finanzsituation übersandt (siehe Anlage 1). Dieser Katalog enthält u.a. die Forderung eines strikten Konnexitätsprinzips (Punkt 1. – „wer bestellt, bezahlt!“), die Forderung nach einer auskömmlichen Finanzausstattung der kommunalen Seite im Rah-men des kommunalen Finanzausgleichs (Punkt 2) sowie die Forderung nach Überarbeitung bzw. Ergänzung der rechtlichen Vorgaben zur Genehmigung des Umlagesatzes für die Kreisumlage (§ 19 KFAG) und Einbeziehung der Gemeindeverbände (Kreise) in die Pflicht zur Haushaltskonsolidierung (Punkt 3).

In der abschließenden Wertung zur kommunalen Finanzsituation (Punkt 15 des Forderungskataloges) weist der SSGT wiederum auf die Problematik hin, dass die Kommunen es nicht schaffen können, sich allein durch eigene Sparanstrengungen aus der Finanzmisere zu befreien und dass es hierbei vielmehr eines Zusammenwir-kens von Bund, Land und kommunaler Seite bedarf.

Wie bereits im Vorbericht zum Nachtragshaushalt der Gemeinde für das Haushalts-jahr 2014 dargestellt, klafft zwischen den Zuweisungen des Landes für die Gemeinde Illingen und die von der Gemeinde an den Landkreis zu entrichtenden Umlage eine immer größer werdende Lücke. (Siehe Anlage 2). Allein schon dieser Aspekt ist ein Indiz für die seit Jahren bestehende Schieflage. Darauf fußt auch die Kritik der Bürgermeister/Innen im Landkreis, die letztendlich zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Höhe der Kreisumlage geführt hat.

Gegen den am 23.05.2014 ergangenen Kreisumlagebescheid, der auf dem von der Kommunalaufsicht genehmigten Kreishaushalt 2014 basiert, hat die Gemeinde Illingen im Einklang mit den anderen Kreiskommunen mit Schreiben vom 30.06.2014 zunächst zur Fristwahrung vorsorglich Rechtsmittel eingelegt. Mit gleichem Schreiben wurde um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, hilfsweise die Aussetzung der Vollziehung gebeten. Daraufhin hat die Gemeinde nur den Anteil der Kreisumlage in Höhe der vorläufigen Festsetzung auf der Basis des Jahres 2013 gezahlt. Erst nachdem der Landkreis der Vollziehungsaussetzung nicht stattgegeben hat, wurde die entsprechenden Raten auf der Basis der Umlage 2014 an den Landkreis entrichtet.

Zur Begründung der eingelegten Rechtsmittel und Klärung der Frage, ob eine eventuelle Klage der Kommunen des Landkreises gegen den Landkreis Neunkirchen Aussicht auf Erfolg hat, wurde durch den Oberbürgermeister der Kreisstadt Neunkirchen die Einholung einer fundierten Rechtsberatung veranlasst. Dabei wurden die Beratungskosten auf die beteiligten Kommunen (3/7 Stadt Neunkirchen, die restlichen 4/7 anteilig von den übrigen Kommunen des Landkreises zu je 1/6) vorgeschla-gen. Der Kostenanteil der Gemeinde Illingen beläuft sich demnach auf rd. 1.800,00 EUR brutto. Über die Vorgehensweise wurde der Gemeinderat in der Sitzung am 17. Juli 2014 informiert.

Der Widerspruch wird vom Kreisrechtsausschuss verhandelt.

[Ende der Sitzungsvorlage]

Was die Erfolgsaussichten angeht, so können wir derzeit keine Prognose abgeben. Zum Einen halte ich den Kreisrechtsausschuss durchaus für befangen. Zum Zweiten gibt es im Saarland bisher keine gesicherte Rechtsprechung zugunsten Not leidender Kommunen. Zum Dritten hat aber das Bundesverwaltugnsgericht ein wegweisendes Urteil zugunsten der Kommunen gesprochen, das noch viele Folgen haben könnte.

Das Urteil des Bundesverwaltugnsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 31.Januar 2013 ein wegweisendes Urteil gesprochen:

Eine Kreisumlage, die der Landkreis von seinen kreisangehörigen Gemeinden erhebt, darf nicht dazu führen, dass den Gemeinden keine finanzielle Mindestausstattung zur Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgaben sowie von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben mehr bleibt. Dies stellt das Bundesverwaltungsgericht klar. Ansonsten sei die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt (Urteil vom 31.01.2013, Az.: 8 C 1.12).
Das dürfte auch für die finanziell Not leidenden saarländischen Kommunen von erheblicher Bedeutung sein. Nach Einschätzung des Verfassers ist nämlich die Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG in vielen Fällen existenziell verletzt.

Die Leitsätze (vom Verfasser)

1. Eine Kreisumlage, die der Landkreis von seinen kreisangehörigen Gemeinden erhebt, darf nicht dazu führen, dass den Gemeinden keine finanzielle Mindestausstattung zur Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgaben sowie von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben mehr bleibt.

2. Zwar enthält das maßgebliche Landesrecht, das die Kreise zur Umlageerhebung ermächtigt, bezüglich der Höhe der Umlage keine ausdrückliche Begrenzung. Diese folgt jedoch aus Art. 28 Abs. 2 GG, der die kommunale Selbstverwaltung institutionell garantiert und den Kommunen im „Kern“ eine finanzielle Mindestausstattung sichert, die unantastbar ist.

3. Da der Landesgesetzgeber die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land gestellt hat, ist eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umlageverpflichtungen der Gemeinde geboten. Diese Grundsätze hat auch der Landkreis gegenüber den kreisangehörigen Gemeinden bei der Festsetzung der Kreisumlage zu beachten.

4. Führt die Kreisumlage aber im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass einer Gemeinde ihre Finanzkraft praktisch zur Gänze entzogen wird, ist das Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt. Allerdings ist die Grenze des verfassungsrechtlich äußerst Hinnehmbaren erst dann überschritten, wenn die gemeindliche Verwaltungsebene nicht nur vorübergehend in einem Haushaltsjahr, sondern strukturell unterfinanziert ist.”

Im Saarland ist dies in vielen Kommunen der Fall. Damit gewinnt das Urteil, das als nunmehr viertes in einer kommunalfreundlichen Entscheidungs- und Urteils-Serie einen neuen Trend wiedergibt, grundsätzliche Bedeutung. Dies kann sich auch auf den kommunalen Finanzausgleich und die Mindestausstattung der Kommunen auswirken.

Letztlich kann dies sogar zu einer Neuauflage der Diskussion über eine Länderneugliederung führen. Aber das ist ein zu weites Feld…

Dr. Armin König

Die Pressemitteilung des Gerichts:

Begrenzung der Kreisumlageerhebung durch kommunale Selbstverwaltungsgarantie

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine Kreisumlage, die der Landkreis von seinen kreisangehörigen Gemeinden erhebt, nicht dazu führen darf, dass den Gemeinden keine finanzielle Mindestausstattung zur Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgaben sowie von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben mehr bleibt.

Die Klägerin, eine kleine kreisangehörige Ortsgemeinde in Rheinland-Pfalz, wurde für das Jahr 2009 vom beklagten Landkreis zu einer Kreisumlage herangezogen, die bei Gemeinden mit überdurchschnittlicher Steuerkraft einen progressiven Anteil enthält. Dagegen hat die Klägerin geklagt, weil die Progression der Umlageerhebung im Zusammenwirken mit anderen Umlagen (Verbandsgemeindeumlage, Finanzausgleichsumlage, Gewerbe­steuerumlage) dazu führe, dass ihr Ist-Aufkommen an Steuern und Zuweisungen zu mehr als 100 % (genau: zu 108,2 %) abgeschöpft werde. Sie müsse deshalb allein zur Finanzierung ihrer Umlageverpflichtung Kassenkredite aufnehmen; zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben verbleibe ihr kein Spielraum. Klage und Berufung blieben erfolglos.

Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar enthält das maßgebliche Landesrecht, das die Kreise zur Umlageerhebung ermächtigt, bezüglich der Höhe der Umlage keine ausdrückliche Begrenzung. Diese folgt jedoch aus Art. 28 Abs. 2 GG, der die kommunale Selbstverwaltung institutionell garantiert und den Kommunen im „Kern“ eine finanzielle Mindestausstattung sichert, die unantastbar ist. Daneben ist der Landesgesetzgeber an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden, der ihn verpflichtet, Kreise und Gemeinden sowie die Gemeinden untereinander bei seinen Maßnahmen zur kommunalen Finanzausstattung gleich zu behandeln. Für Differenzierungen bedarf es eines sachlichen Grundes. Da der Landesgesetzgeber die Kreisumlage in ein System aus mehreren Instrumenten des Finanzausgleichs zwischen Gemeinden, Kreisen und Land gestellt hat, ist eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umlageverpflichtungen der Gemeinde geboten. Diese Grundsätze hat auch der Landkreis gegenüber den kreisangehörigen Gemeinden bei der Festsetzung der Kreisumlage zu beachten. Zwar bewirkt ein progressiver Umlagesatz an sich noch nicht eine vollständige Entziehung der vom Grundgesetz den Gemeinden garantierten Steuerhoheit. Das wäre erst der Fall, wenn die Steuerkraftunterschiede zwischen den umlagepflichtigen Gemeinden eingeebnet werden; doch so liegt es hier nicht. Führt die Kreisumlage aber im Zusammenwirken mit anderen Umlagen dazu, dass einer Gemeinde ihre Finanzkraft praktisch zur Gänze entzogen wird, ist das Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt. Allerdings ist die Grenze des verfassungsrechtlich äußerst Hinnehmbaren erst dann überschritten, wenn die gemeindliche Verwaltungsebene nicht nur vorübergehend in einem Haushaltsjahr, sondern strukturell unterfinanziert ist. Ob dies hier der Fall ist, muss das Oberverwaltungsgericht noch prüfen.

BVerwG 8 C 1.12 – Urteil vom 31. Januar 2013

Vorinstanzen:
OVG Koblenz 2 A 11423/10 – Urteil vom 28. April 2011
VG Trier 1 K 100/10.TR – Urteil vom 16. November 2010