Marta Minujín (geb. 1943 in Buenos Aires) ist eine hoch politische Künstlerin. Ihr »Parthenon der verbotenen Bücher« ist die aufwendigste Installation der documenta 14 in Kassel, die populärste und auch die wirkmächtigste. Es besteht aus (derzeit mindestens) 50.000 Büchern, die weltweit auf Verbots- und Zensurlisten standen.
Die Bände sind rund um ein Metallgerüst drapiert, zum Schutz vor Wind und Regenwetter in speziellen Plastikfolien eingeschoben, damit Nässe und UV-Strahlung den gespendeten Büchern nichts anhaben können.
Zum ersten Mal sorgte Minujín mit dieser Tempel-Idee 1983 in Argentinien für Aufsehen, als die Militärjunta abdanken und Platz für eine demokratisch gewählte Regierung machen musste. Damals ließ Minujín auf einem öffentlichen Platz in Buenos Aires ihr 12 Meter hohes »El Partenón de libros« errichten. 25.000 Bücher, die von den Militärs in Kellern weggesperrt worden waren, bedeckten eine maßstabsgetreues Stahlrohr-Modell des griechischen Demokratiesymbols.
Dazu heißt es im Katalog: „Marta Minujín, 1943 in Buenos Aires geboren, hat sich diesen ebenso ästhetischen wie politischen Archetypus der Demokratie anverwandelt und auf ihre persönliche Situation – überschattet durch die „national-katholische“ Diktatur, die Argentinien bis 1983 beherrschte – umgelegt. Sie ließ das demokratische Ideal genau in dem Augenblick zirkulieren, in dem die Militärjunta stürzte. Ihr Kunstprojekt war Teil der Serie „La caída de los mitos universales“ (Der Sturz der universalen Mythen), in der sich die Künstlerin ikonischer Monumente bemächtigte, um sie zu replizieren, in Stücke zu brechen und erneut in die öffentliche Sphäre einzubringen.“
Nun also Kassel – in einem Land, in dem sowohl unter den Nazis als auch in der DDR-Diktatur des Realen Sozialismus Bücher verboten, verbrannt, verbannt wurden.
Der historische Kontext ist keineswegs weit hergeholt.
Das Parthenon der verbotenen Bücher ist ein gigantisches temporäres Mahnmal – und eine Demonstration für den Wert von kollektiven Schätzen, wie es Bücher sind.
Sie sind ein fundamentaler Teil des nationalen und europäischen Kulturerbes.
Armin König
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