Vorbemerkung
Jugendpolitik ist immer Gesellschaftspolitik. Jugend prägt Gesellschaften. Gesellschaften und ihre Prioritäten prägen Jugend. Auch das Fehlen von Jugend wirkt in und auf Gesellschaften.
Jugend mischt auf, Jugend regt an, Jugend regt auf, Jugend mischt mit.
So kann es sein, so sollte sein, so ist es aber nicht mehr.
Jugend steht am Rand des Spielfelds, wartet darauf, das Spiel zu machen, wird aber nicht aufgestellt. Doch da sind die Alten, die den Status Quo verwalten, die blockieren, Bedenken tragen, hinterfragen, klagen über die herrschenden Verhältnisse, die sie daoch selbst verursacht haben. Sie wollen nicht weichen, den Stab nicht weiterreichen. Sie haben die Jugend aus dem Blick verloren. Sie halten sich für unersetzbar. sie merken nicht, dass sie loslassen müssen. Sie merken nicht, dass sie Macht abgeben müssen.
Das muss nicht so bleiben. Das kann auch nicht so bleiben.
Gebt der Jugend eine Chance.
Jugend ist die Next Generation, die größtes Interesse daran hat, die Welt nach ihren Vorstellungen zu verändern. Das müssen wir ermöglichen.
Findet sie die Welt vor, die ihr Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet? Oder ist diese Welt ramponiert, fragmentiert, desillusioniert, kastriert, devastiert, schwer lädiert, korrumpiert, narkotisiert, mumifiziert, geriatriesiert, pervertiert und völlig mutiert, radikalisiert, reglementiert, degeneriert , simplifiziert, strapaziert, terrorisiert, von Radikalen usurpiert, von Konzernen vampirisiert, tranchiert und von den Falschen dominiert?
Wenn ja, muss man dies ändern.
Die Welt ändert sich fundamental. Das Internet ist zu einem ganz neuen Kulturraum geworden, einer neuen Realität, einem neuen Fundament unserer Gestaltungsprozesse. Dabei stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung, deren Folgen noch gar nicht absehbar sind. Was Manuel Castells zu Beginn des Jahrtausend prognostiziert hat, wird nun tatsächlich, wenn auch mit Verspätung, Realität.
Digitalisierung, Globalisierung und Monetarisierung verändern alles, hinzu kommt das demografische Dilemma. Wandel ohne Bruch ist gar nicht mehr möglich. Auf dem Holodeck der Gegenwart sind neue Direktiven notwendig.
Doch die Alten haben die Mehrheit und die Macht der Vielen.
Die Jungen geraten ins Hintertreffen.
Damit werden Chancen vertan, wird Zukunft verspielt. Das kann sich Deutschland nicht leisten.
Die Zeit ist reif für Veränderungen.
Die Zeit ist reif für Umwälzungen.
Die Zeit ist reif für neues Denken, neues Handeln.
Vorwort
Jugend mischt auf, Jugend regt an, Jugend regt auf, Jugend mischt mit. So kann es sein, so sollte es sein, so ist es aber nicht immer. Jugend ist die next Generation, die größtes Interesse daran hat, eine Welt vorzufinden, die ihr Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Eigentlich wäre die Zeit reif für ein neues Denken.
Die Welt ändert sich ja fundamental.
Das Internet ist zu einem ganz neuen Kulturraum geworden, einer neuen Realität, einem neuen Fundament unserer Gestaltungsprozesse. Dabei stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung, deren Folgen noch gar nicht absehbar sind.
Daran muss sich auch kommunale Jugendarbeit messen lassen.
Es gibt zwar noch immer den lokalen, kommunalen Erfahrungsraum. Aber jedes Dorf kann mittlerweile Teil eines Global Villages sein. Überall ist Global Village, überall ist Leben.
Damit verändern sich auch politische Prioritäten und Machtstrukturen. Das muss nicht negativ sein, im Gegenteil. Nie zuvor war es so einfach, mit so wenig Produktionsmitteln so viel zu bewegen, zu erreichen. Das Netz hat die Produktion von Dienstleistungen und die Wissensrecherche und Nutzung revolutioniert.
Und doch hat man immer häufiger das Gefühl, dass Jugendpolitik kein Thema mehr ist. Jugend ist offenkundig bei den Parteien nicht mehr im Fokus.
Wenn in über Jugendpolitik kritisch diskutiert wird, insbesondere im Deutschen Bundestag und in Länderparlamenten, geht es fast immer um Kinder- und Jugendhilfepolitik. Jugendpolitik ist aber weit mehr als nur Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist auch weit mehr als Bildungs- und Qualifizierungspolitik, so wichtig diese Themen auch sind. Und Jugendpolitik lässt sich vor allem nicht unter »Familienpolitik« abhandeln.
Weil die Jugendphase eine eigenständige Lebensphase ist, ist auch eine eigenständige kommunale Jugendpolitik unverzichtbar.
Kommunale Jugendarbeit ist Ermutigungspolitik für junge Menschen.
Kommunale Jugendarbeit ist Beteiligungspolitik auf Augenhöhe. Beteiligung und echte Teilhabe sind Schlüsselfragen des Engagements.
Für uns ist Jugend ein zentraler Akteur der Illinger Politik. Das ist nicht immer bequem, aber notwendig und produktiv.
Wenn man ihnen die notwendigen Freiräume gibt, gestalten Jugendliche ihre eigene Welt. Die können nicht wir Erwachsenen bestimmen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir würden uns damit übernehmen.
Wir wissen, dass sich die gesellschaftliche Realität in den letzten Jahren fundamental verändert hat. Dem muss eine moderne kommunale Jugendpolitik Rechnung tragen. In Illingen praktizieren wir dies seit 20 Jahren. Frank Schuppener ist das Gesicht dieser Jugendpolitik. Er wird heute seinen letzten Jugendbericht vorstellen. Er wird künftig vor allem für Demografie und für unsere Bürger-Stiftung zuständig sein.
Ich will mich bei ihm, der einer meiner treuesten Weggefährten ist, herzlich bedanken für seine engagierte und unkonventionelle Arbeit.
Dr. Armin König
Bürgermeister
September 2017
Jugend heißt Innovation und Evolution und Störung
Es ist eine berechtigte Frage in diesen turbulenten Zeiten, in denen vor allem alarmistische Themen Konjunktur haben: Wie ernst nehmen Bund, Länder und Kommunen die Jugendpolitik? Wer sind die Promotoren? Jugendliche? Bürgermeister? Fraktionen? Sozialarbeiter? Ehrenamtler? Und was können sie bewirken? Momentan offenbar eher weniger, wenn man die Parteiprogramme für die Bundestagswahl liest.
Jugendpolitik scheint ein Randthema zu sein.
Das ist ein Problem, kann aber nicht verwundern. Schon zahlenmäßig verliert die Jugend an Einfluss und Bedeutung, dafür sorgen schon die demografischen Veränderungen.
Außerdem ist Jugendpolitik kein Thema, mit dem man Karriere macht. Selbst Jugendpolitiker der Parteien und Jugendorganisationen ziehen Wirtschaftspolitik, Digitalisierung oder Umweltpolitik vor, wenn sie reüssieren wollen.
Jugendpolitik setzt Mut, Macht, Mittel und Motivation voraus. Nur so ist die Umsetzung einer Eigenständigen Jugendpolitik tatsächlich möglich.
Das ist in Zeiten des demografischen und gesellschaftlichen Wandels notwendiger denn je. Gerade weil die ältere Generation zahlen- und anteilmäßig immer stärker wird, muss eine in aus dem politischen Blickfeld geratene Jugend gerechte Partizipationsmöglichkeiten erhalten. Diese Art der Generationengerechtigkeit ist nicht auf Renten und Schulden fixiert, wie Vertreter einer neoliberalen Wirtschaftspolitik, die Jungen Liberalen und Teile der Jungen Union sie vertreten, sondern auf Entfaltungschancen der jungen Generation.
Für die Gesellschaft ist dies existenziell. Jugend war in der Vergangenheit Garant für Innovation und Zukunftsentwicklung, für alternative Politik und für neue Formen der Kommunikation. Zwar kann man Vergangenheit nicht in die Zukunft interpolieren, aber die Innovationskraft der Jugend kann nach wie vor als prägendes Element der Altersentwicklung gesehen werden. Demgegenüber ist die immer stärker werdende ältere Generation massiv auf Sicherung des Status quo bedacht. Senioren sind in hohem Maße veränderungsresistent. In Zeiten der Digitalisierung, der Globalisierung, der Disruption ist dies gerade verheerend für eine Gesellschaft. Sie muss sich verändern und kann nicht stehen bleiben.
Hurrelmann hat schon 2001 darauf hingewiesen, dass das klassische 3-Phasen-Lebenslaufmodell überholt ist. Die Essentials dieses Phasenmodells:
„In der ersten werden die Menschen betreut, gebildet, ausgebildet und auf die zweite Lebensphase vorbereitet, die des Erwachsenen- und Erwerbsalters. In dieser sind sie Vollmitglied der Gesellschaft, können politisch mitbestimmen, erwirtschaften materielle Werte und tragen durch Familiengründung zur Reproduktion der Gesellschaft bei. In der dritten Lebensphase treten sie wieder aus dem Erwerbsleben aus, wobei sie die politischen Gestaltungsrechte behalten.“ (Hurrelmann 2001,3)
Es bleibt festzuhalten, dass das alte Lebensphasen-Modell nicht mehr aktuell, sondern anachronistisch ist.
Zum Einen beginnt mit der Pubertät auch die Jugendphase früher denn je. Mädchen sind bei Eintritt in die Pubertät im Schnitt elfeinhalb, Jungen zwölfeinhalb Jahre alt. Damit hat sich die biologische Jugendeintrittsgrenze im Laufe der Jahre deutlich nach unten verschoben.
Das ist die eine Seite der Medaille.
Denn trotz des früheren Eintritts in die Jugendphase ist dieser gesamte Lebensabschnitt länger geworden. Zwar wurde die Gymnasialzeit in den meisten Bundesländern verkürzt, doch ändert dies nichts daran, dass die Ausbildungs-, Qualifikations- und Übergangszeit länger denn je dauert. Das war auch eines der Themen beim 16. Kinder- und Jugendhilfetag 2017 in Düsseldorf.
Das Spannende schlechthin aber war das Motto: 22 Millionen Chancen.
Diese Millionen Chancen, die die Jugend der Gesellschaft schenken kann, werden offensichtlich von dieser leichtfertig ausgeschlagen.
Das ist fahrlässig.
„Es kommen härtere Tage“, hat Ingeborg Bachmann in „die gestundete Zeit“ geschrieben (1952).
Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont.
Es ist Zeit, die Schuhe zu schnüren und die Gesellschaft vorzubereiten auf gewaltige Veränderungen, die (– man sieht es an den autoritären Führern Trump, Putin, Erdogan, Orban Kaczinsky–) schon jetzt im Gange sind. Man mag das »Zeitalter der Disruptionen« als »Mythos« herunterspielen (Horx 2017). Trotzdem bleibt die Herausforderung großer Veränderungen durch Globalisierung, Digitalisierung und neue biologisch-medizinisch-naturwissenschaftliche Entwicklungen.
Das ist aber auch die große Chance der Jugend, die jede Gesellschaft ergreifen muss (was sie noch nie getan hat, weil es sie störte). Fakt ist, was Horx schreibt :
„Evolution findet nur durch permanente Störung statt.“ (Horx o.J.)
Jugend wird als Störer gebraucht: als Ver-Störer. als Ruhe-Störer, als Zer-Störer der Selbstzufriedenheit.
Bürger_innen-rechte in der Postdemokratie müssen aktiv verteidigt und immer wieder neu erobert werden, auch auf bisher nicht bekannten Feldern.
Fischer, Jörg & Lutz Ronald (Hg.) (2015): Jugend im Blick. Gesellschaftliche Konstruktionen und pädagogische Zugänge. Weinheim: Beltz.
Horx, Matthias (2016): Der Mythos Disruption. https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/innovation-und-neugier/der-mythos-disruption/
Quenzel, Gudrun & Hurrelmann, Klaus & Albert, Mathias: Jugend 2015: Eine pragmatische Generation im Aufbruch. In: Shell Detuschland Holding (Hg.): Jugend 2015 – Eine pragmatische Generation im Aufbruch. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S. 375-367.
Kommune als Jugend-Ort: Jugendgerecht handeln
Von Armin König
Alles dreht sich in der politischen Debatte um Kinder, um Kitas, um Krippen, um Betreuungsplätze, um Kinderschutz. Fast alles. Und auch die Rentner und Rentnerinnen haben als mittlerweile größte Wähler_innengruppe an Bedeutung gewonnen. Traditionell sind auch Arbeitnehmer und Arbeitslose im Fokus des Interesses. Dagegen hat es die Jugend zunehmend schwer, eigenständig wahrgenommen zu werden. Dabei ist es außerordentlich wichtig, in einem eigenständigen Politikansatz die Eigenständige Jugendarbeit zu fördern. Es geht um einen innovativen und schlüssigen Politikansatz, der Jugendlichen die Macht und die Kompetenz(en) verleiht, als Expertinnen und Experten in eigener Sache für ihre eigenen Interessen einzutreten.
Die Lebensphase Jugend ist keine „Fortsetzung der Kindheit“ oder der Kinderpolitik, sondern eine eigenständige Lebensphase, die ihre eigenen Charakteristika hat. Sie braucht eigene Strategien, eigene politische Konzepte und spezielle Angebote. Gerade im demografischen Wandel ist es notwendig, Jugendarbeit wieder in den Fokus zu stellen und stärker zu beachten.
Das ist eine Frage der Vernunft und der Generationengerechtigkeit. Jugend gibt eigenständige Impulse an und in die Gesellschaft und hat auch in der Vergangenheit vielfach durch kritische Aktionen und Initiativen dazu beigetragen, Deutschland zu modernisieren und zu mobilisieren für gravierende Veränderungen. Es geht dabei um Positionierung und Selbst-Positionierung, um Handlungskompetenzen und Mut zu Experimenten. Partizipation der Jugend ist ein Schlüssel für Eigenständige Jugendpolitik. Dabei bedeutet Partizipation Teilhaben an politischen und Verwaltungsentscheidungen. Diese Partizipation an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen ist grundlegend für eine Demokratie. Für den Philosophen Volker Gerhardt ist Partizipation „das Prinzip der Politik“ (Gerhard 2007) schlechthin. Dafür braucht Jugend Freiräume. Jugend braucht Raum, Mitwirkung, Teilhabe und Chancen außerhalb der formatierten Konsum- und Wirtschaftsgesellschaft, auch wenn dies nicht im Sinne der Erwachsenen ist.
Jugendpolitik ist vielfach zu einem weißen Fleck der Politik geworden. Das ist ein schwerwiegendes Defizit, das zu beheben ist.
Der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Alterskohorte der 12- bis 27Jährigen. Das ist eine ungewöhnliche Spanne mit sehr heterogenen Lebenserfahrungen. Ob es sinnvoll ist, angesichts unterschiedlicher Entwicklungsstufen die Altersgrenzen so weit zu ziehen, darf bezweifelt werden. Aber die unabhängige, interdisziplinär zusammengesetzte Sachverständigenkommission hat den Rahmen für den 15. Kinder- und Jugendbericht so gezogen, und damit ist er die Grundlage der Betrachtungen.
Noch unverständlicher und inkonsistenter ist allerdings die Titelwahl: „Zwischen Freiräumen, Familie, Ganztagsschule und virtuellen Welten – Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsanspruch im Jugendalter“. Zwischen verschwimmenden Grenzen und Themen soll die Eigenständige Jugendarbeit in den Fokus gerückt werden, während die demografische Entwicklung dafür sorgt, dass das Jugendalter marginalisiert wird.
Wenn der Deutsche Bundesjugendring in der Anhörung des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend moniert, dass selbstbestimmte Freiräume junger Menschen immer mehr begrenzt und verdrängt werden (Protokoll der 52. Sitzung vom 25.1.2016, S. 13), dann ist dies ein ernst zu nehmendes Problem. Nur durch Freiräume können junge Menschen sich entfalten. Das eröffnet Potenziale für die Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Werden diese Freiräume nicht gewährt, fügt sich die Gesellschaft selbst Schaden durch Unterlassen zu.
Die Bundesregierung sieht die Jugend „engagiert, motiviert, politikinteressiert“ (Katarina Barley, Plenardebatte v. 23.6.2017). Die Unionsfraktion sieht die Jugend „pragmatisch, praktisch und wertorientiert“ (Markus Koob). Für die gesamte deutsche Gesellschaft sei sie „Vorbild in vielerlei Hinsicht“. Vorbei sind die Zeiten, in denen die öffentliche Diskussion über Jugend unter Schlagworten wie „Komasaufen, Gewalt, Zigarettenkonsum, Null-Bock-Stimmung oder Schulschwänzer geführt“ (Koob, Pl.Pr. 18. WP, 241. Sitzung v. 23.6.2017, S 24694) wurde. Stattdessen habe sich die „gesellschaftliche Sicht auf Jugendliche … glücklicherweise um 180 Grad ins Positive gedreht“.
Die SPD sieht die Notwendigkeit, die Rolle der Kommunen in der Jugendpolitik zu stärken. Bedauerlich sei allerdings, dass die soziale Ungleichheit Chancengerechtigkeit verhindere. (Reimann, S. 24697). Investitionen in gute Bildung seien deshalb wichtig. Auch die Ungleichheit zwischen städtischen und ländlichen Regionen sei ein Problem.
Kritisch sehen dagegen die Linken und die Grünen die deutsche Jugendpolitik. Die Linke plädierte für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, mehr Ombudsstellen, mehr Personal in Jugendhilfe und beitragsfreien Nahverkehr.
Beate Walter-Rosenheimer fasste die politische Dimension des 15. Kinder- und Jugendberichts schlüssig zusammen: „Jugend braucht Freiräume. Jugend darf nicht daraus bestehen, sich immer weiter qualifizieren zu müssen. Jugendliche brauchen politische Teilhabe. Wir haben heute schon gehört, dass sie sich nicht mehr so gerne in Parteien engagieren; aber sie sind sehr engagiert und sehr politisch. Sie zeigen ihr Engagement eben anders, und dem muss die Politik Rechnung tragen.“ (Walter-Rosenheimer, S. 24701)
Zum Faktencheck gehört auch die Erkenntnis, dass der demografische Wandel vor allem die Jugendlichen benachteiligt. Der SPD-Abgeordnete Stefan Schwartze sagte dazu: „Jugend ist heute eine gesellschaftliche Minderheit geworden. Etwa jeder Neunte in der Bundesrepublik gehört zu den 15- bis 24-Jährigen. Wir müssen diese Gruppe sichtbarer machen.“ (Schwartze, 24702)
Mehr noch als der Bund sind die Bundesländer und die Kommunen in der Jugendpolitik gefordert. Sie garantieren auch die institutionelle Absicherung der Eigenständigen Jugendpolitik.
Auch der Bundesrat sieht angesichts des demografischen Wandels die Gefahr, „dass Jugendliche und junge Erwachsene ihre Interessen schlechter in Gesellschaft und Politik durchsetzen können und ihre Themen eher als weniger bedeutsam erscheinen. Deshalb bedarf es nach Auffassung des Bundesrates aller notwendigen Anstrengungen, um gute Rahmenbedingungen für Jugendliche und junge Erwachsene sowie für ihre Interessenvertretung zu schaffen.“ ( S. 2)
„Da die Angebote der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes eine herausragende Bedeutung haben, damit Jugendliche und junge Erwachsene die aufgeführten Kernherausforderungen verwirklichen können, betrachtet der Bundesrat diese Bereiche als soziale Infrastrukturangebote, die im Sinne der öffentlichen Daseinsvorsorge grundsätzlich vorzuhalten und damit auch finanziell abzusichern sind.“ (S.3)
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landjugendämter hat in einem Positionspapier, das im November 2016 in Potsdam beschlossen wurde, die „Kommune als Ort der Jugendpolitik“ in den Fokus gestellt.
Die Fachleute der Länder sehen „die Kommunen als den eigentlichen Ort des Geschehens“. Das gilt für die kommunale Jugendförderung und die Jugendpflege, „die als Scharnier zwischen den Jugendlichen, den Angeboten der Jugendarbeit und der kommunalen Jugendpolitik“ dienen (BAGLJ, 2). Es geht hier nicht um wohlfeile Reden und Grundsatzerklärungen, sondern um praktische und pragmatische Aktivitäten: „Denn hier, im unmittelbaren Lebensumfeld, wird Politik für Jugendliche erlebbar, kann Beteiligung wirksam gestaltet und erfahrbar werden. Das Jugendamt ist verantwortlich für die Umsetzung der Ziele und Aufgaben des SGB VIII, auch für die Leistungen der Jugendarbeit nach § 11 und § 12.
Das ist auch eine Frage der Personalisierung und der Finanzierung des Fachkräfteangebots. „Denn ohne Fachkräfte kann eine eigenständige Jugendpolitik nicht gelingen.“ (BAGLJ, S. 2)
Gefordert werden einerseits die Querschnittsbetrachtung in allen Politikfeldern, weil Jugend in allen kommunalen und fast allen landesspezifischen Politikfeldern präsent und betroffen ist. Andererseits sei eine Stärkung der Eigenständigen Jugendpolitik als besondere Ressortpolitik notwendig, um das Thema mit mehr Aufmerksamkeit zu versehen.
Damit könnte der Marginalisierung der Jugendarbeit entgegengewirkt werden.
„Grundlegende Zielsetzung ist es, die politische Debatte auf die Herausforderungen und Bedürfnisse aller Jugendlichen zu lenken und sich nicht nur auf so genannte Problemgruppen zu konzentrieren. Dabei sollen jugendpolitische Rahmenbedingungen zur Entfaltung von Entwicklungspotentialen junger Menschen geschaffen werden. Dies beinhaltet, Jugendlichen Zeit und Räume zur Verfügung zu stellen, Generationengerechtigkeit in den Mittelpunkt politischer Entscheidung zu rücken und allen Jugendlichen Zugang zu außerschulischer Bildung zu ermöglichen“. (BAGLJ, S. 2-3)
Erfreulich offen wird eine „inhaltliche Weiterentwicklung der Angebote der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes durch öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe“ gefordert. Dazu gehöre insbesondere, „dass die Angebote unter maßgeblicher Mitbestimmung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen gestaltet werden.“ (S. 3)
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Jugendkulturen und Jugendszene „besondere Ausdrucksformen Jugendlicher“ (BT-Drs. 18/11050, S. 56) sind, mit denen sich „Jugendliche individuell, gleich gesinnt und gemeinsam mit anderen ausprobieren, über Musik, Kleidungsstile, Symbole und Sprache eigene, kreative Formen ihres Lebensgefühls finden und sich – sichtbar für den Rest der Gesellschaft – abgrenzend inszenieren.“ (S. 56) Das ist seit mehr als 100 Jahren so. Allerdings haben sich die Ausdrucksformen und Medien radikal verändert. Digitale Medien werden dabei immer wichtiger, da sie nicht nur Informationen und Kommunikation transportieren, sondern auch „Räume zur Vergemeinschaftung und Selbstinszenierung eröffnen“ (S. 56). Die Jugendlichen sind sehr demokratieaffin und engagiert, finden aber in den traditionellen Formen der politischen Partizipation wenig Raum für eigenständige Bestätigung.
Die Ganztagsschule wird nur bedingt als neue Perspektive für Jugendliche gesehen, da der Ganztag nur mäßige Effekte zeigt, soziale Ungleichheiten nur bedingt abbauen kann und wegen fehlender jugendpädagogischer Konzepte seine Möglichkeiten nicht nutzt.
Gleichzeitig ist die Ganztagsschule Arbeitsfeld für kommunale Jugendarbeiter und Streetworker. Vieles bleibt Stückwerk, da die Finanzierung nicht gesichert ist und gerade die Kommunen und die Kreise als Kommunalverbände und Träger der Jugendhilfe unter immer größeren Konsolidierungszwang geraten.
Als fundamentale gesellschaftliche Aufgabe der Zukunft sieht es der 15. Kinder- und Jugendbericht, Jugend zu ermöglichen. Dazu hat er 22 Thesen formuliert.
(1) Jugend als eigenständige Lebensphase;
(2) Qualifizierung, Selbstpositionierung und Verselbstständigung als Kernherausforderungen des Jugendalters;
(3) Verlängerung des Jugendalters im Übergang in das Erwachsenenalter;
(4) Anhaltende soziale Ungleichheiten im Jugendalter;
(5) Pluralisierung des Jugendalters durch migrationsbedingte Vielfalt;
(6) Herausforderungen des Jugendalters in der globalisierten Gesellschaft;
(7) Jugend in der digitalen Gesellschaft;
(8) Das Ringen um Freiräume;
(9) Neugestaltungsbedarf der politischen Bildung im Jugendalter;
(10) Beteiligung als Voraussetzung für demokratische Aneignungsprozesse;
(11) Die Jugend und ihre Rechte;
(12) Jugend in und um Ganztagsschulen ermöglichen;
(13) Mit Ganztagsschule sozialer Bildungsbenachteiligung entgegenwirken;
(14) Ganztagsschulen als Orte politischer Bildung im Sinne von gelebter Mitbestimmung verstehen und konzipieren;
(15) Kinder- und Jugendhilfe als verantwortliche Mitgestalterin der Ganztagsschule;
(16) Jugend in und durch Kinder- und Jugendarbeit ermöglichen;
(17) Kinder- und Jugendarbeit und politische Bildung;
(18) Die sozialpolitische Verantwortung der Kinder- und Jugendarbeit;
(19) Kinder- und Jugendarbeit – ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Ganztagsschule;
(20) Jugend ermöglichen in prekären Lebenskonstellationen;
(21) Soziale Dienste für Jugendliche und junge Erwachsene überprüfen und gezielt absichern;
(22) Geflüchtete junge Menschen sind Jugendliche und junge Erwachsene.
Das ist ein Riesenfeld, das von einzelnen Bearbeitern so wenig zu bewältigen ist wie von einzelnen Kommunen, nicht einmal von Kommunalverbünden und –verbänden.
Wir wollen uns auf Schwerpunkte beschränken. Dazu gehören
– Jugend als eigenständige Lebensphase im demografischen Kontext
– Selbstpositionierung und Verselbstständigung
– Freiräume am Ort
– Partizipation als Teilhabe
– Migrationsbedingte Vielfalt und Pluralisierung
– Kinder und Jugendarbeit
– Jugendrechte
– Innovative Jugendpolitik
– Jugendliche als politische und gesellschaftliche Akteure
– Jugend und Freizeit
Illinger Jugendbericht 2017
Planen und Gestalten von Lebenswelten
Von Frank Schuppener
Beteiligung hat sich in der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Illingen bewährt.
Wir haben Kinderparlamente (KIPA) in allen sechs Illinger Ortsteilen. Je zwei VertreterInnen der Grundschulklassen 1 – 4 werden von ihren MitschülerInnen in dieses Parlament gewählt. Zusammen mit ihrem Ortsvorsteher, der Schulleitung, der Kinderbeauftragten und dem Jugendpfleger beraten sie aktuelle Kinderfragen. Die Erwachsenen achten auf unmittelbare Erledigung und berichten regelmäßig zu Anfang jeder neuen Sitzung inwieweit die Vorschläge und Anregungen der Kinder umgesetzt werden konnten und wo es hapert. Dabei kann es im Kleinen beispielsweise darum gehen, dass die Straßenlaterne am Spielplatz repariert werden muss, der Schulbus zu spät kommt oder mal wieder eine Picobello-Aktion ansteht.
Um richtige Beteiligungsprojekte mit Kindern ging es z.B. bei der Neugestaltung der Schulhöfe an den drei Grundschulstandorten sowie der Überplanung und Erneuerung der Spielanlagen in den Ortsteilen. In diesem Jahr stehen im Rahmen eines groß angelegten Projektes wieder eine Überplanung und Erweiterung des Schulhofes auf der Lehn an, eine inklusive Erweiterung des Spielplatzes Hirzweiler sowie die Neugestaltung des Spielplatzes im Fahren. Sämtliche Vorschläge der Kinder können in die Planungen mit aufgenommen und abgestimmt werden. Beim Bau von Weidenhäusern helfen sie auch selbst mit. In jedem Frühjahr gibt es Spielplatzchecks. Dann werden die Kinder für einen Nachmittag zu Spielplatzdetektiven, die mit den Mitarbeitern des Bauhofs zusammen akribisch genau prüfen, was zu reparieren ist und was, sofern der Haushalt das zulässt, ergänzt und neu angeschafft werden könnte. Kinderkulturarbeit/-veranstaltungen sind auch zu einem Thema geworden. Selbst nach 20 Jahren arbeiten nicht alle Kinderparlamente gleichermaßen intensiv, Ziel bleibt aber eine kunterbunte Politik für Kinder in allen Ortsteilen. Eine ganze Reihe guter Kinderfaschingsveranstaltungen beispielsweise gehen auf das Konto dieser Politik, wir sind regelmäßig bei Picobello mit dabei, unsere Spielanlagen sind attraktiv und auf dem neuesten Stand, Ideen für eine Reihe von Kinderaktionen-, -veranstaltungen und –tagesfahrten unserer Kinderbeauftragten wurden in den Parlamenten geboren und vieles mehr. Zusammen mit der Ortsgruppe des Deutschen Kinderschutzbundes e.V. wurden regelmäßige Selbstbehauptungskurse für Mädchen und Jungen dieser Alterskategorie entwickelt, Leseprojekte sind entstanden, ebenso Kunstprojekte wie „Banner für Rio“, „Live needs water“ und diverse andere.
In punkto Beteiligung von Jugendlichen, setzen wir auf unterschiedliche Formen. Eine direkte und praxisnahe Beteiligung erfolgt in allen Bau- und Planungsvorhaben von denen die Jugendlichen konkret betroffen sind, so war das neue Jugendzentrum Illingen entstanden, ein aus Mitteln der EU und des Saarlandes geförderten Beteiligungsprojekt für Jugendliche, das in der Planung wie in der späteren Bauausführung stets auf hoch motivierte junge Leute setzen konnte und kann. Ähnlich, nur etwas kleiner, verliefen der Umbau einer ehemaligen Schulhausmeisterwohnung zum offenen Treff Katakombe in Hüttigweiler, die Gestaltung und der Ausbau der Jugendzentren Wustweiler, Uchtelfangen und Welschbach. Stets haben junge Leute in Eigenarbeit saniert, gebaut und mitgestaltet.
Die Gestaltung der Skateanlagen erfolgte sämtlich mit Hilfe von Jugendhearings, d.h. die Jugendlichen trafen sich häufig und in kleinen überschaubaren Gruppen solange mit den Mitarbeitern des Jugendbüros und entsprechenden Baufachleuten vor Ort bis ihre Vorstellungen entwickelt waren, was bei Skatern besonders deshalb von großer Bedeutung ist, weil Erwachsene hier kaum über Insiderwissen verfügen.
Jugendforen sind darüber hinaus größer angelegte Jugendversammlungen zu einer bestimmten Thematik an einem zentralen Ort, hier kristallisierte sich die Jugendkulturarbeit als Schwerpunkt dieser Treffen heraus. Es sind teilweise auch eigene Initiativen hieraus entstanden, wie z.B. Ill-Rock-City und TagTeam e.V., die zusammen mit vielen anderen Veranstaltern seit mehr als 15 Jahren dafür sorgen, dass im Kulturforum Illipse und kleineren Spielstätten ein gutes Programm von und für Jugendliche gemacht wird: Halloween Disco, Spring Break, Weihnachtsdisco, Rock gegen Rechts, u.v.m.. Eine eigene Spielstätte ist das JUZ Illingen geworden, im dreiwöchigen Rhythmus gibt es dort Konzerte angesagter Jugendbands, mit Blitzkid, Swedisch Funk Factory, u.a. sogar internationale und sehr bekannte Bands. Heute fahren auch unsere Bands mit in unsere Partnerstädte, wie kürzlich nach Civray und bieten sehr interessante Impulse für einen generationenübergreifenden Wandel.
Insgesamt gesehen haben sich diese offenen Formen der Jugendbeteiligung in der Gemeinde Illingen bis heute mehr als bewährt.
In allen Ortsteilen gibt es darüber hinaus selbstverwaltete Jugendzentren, insgesamt fünf Offene Treffs und Jugendzentren sowie ein Mädchencafé, auch das ist eine Form der Beteiligung, denn die jungen Leute werden von uns nach JULEICA-Standard geschult und damit befähigt, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Wöchentlich und zu allen besonderen Anlässen finden sie Gelegenheit sich mit uns in allen schwierigeren Fragen zu beraten. Ein gutes Kultur- und Freizeitprogramm steht für die Jugendlichen meistens im Vordergrund, oft sind es auch eine ganze Menge von Organisationsarbeiten für größere und kleinere Veranstaltungen, die erledigt werden müssen und zunehmend mehr geht es jungen Leuten um Inhalte, „Philosophencafés“, „Film und Diskussion“, „Talk im JUZ“ mit Themen wie: „Generation Facebook“, „Der Weltmarkt und Du“, „Neuere Entwicklungen in der rechtsextremen Szene“, „Toleranz fördern“ u.a. stehen regelmäßig auf dem Programm. Für eine Förderung durch „Kohle für coole Projekte“, ein Jugendkulturprojekt zum offiziellen Ende des Bergbaus an der Saar 2018, hat sich gerade die Katakombe Hüttigweiler beworben. Das vom JUZ Illingen entwickelt Graffitiprojekt zur Neugestaltung der Mauer zwischen JUZ und Grundschule auf der Lehn ist richtungsweisend. Das letzte 72-Stunden-Projekt der Illinger Pfadfinder zum Thema: „Juden in Illingen“, war ein ebenso herausragendes Projekt, das mit der Beschriftung des ehemaligen Torbogens der jüdischen Synagoge durch den saarländischen Verein: „DenkmalMit!“ seine Fortsetzung fand. Die Jugendlichen von „Kunst und Kultur an der Kirche“ machten sich mit einer ganz besonderen Aktion: „Banner für Rio“ in Zusammenarbeit mit „terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not“ stark für ökologische Kinderrechte, indem sie 71 „Banner für Rio“ entwarfen, deren Botschaften hier in Illingen im Rahmen einer Ausstellung über der Hauptstraße zu sehen waren und anschließend nach Rio de Janeiro zum UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung verschifft wurden. Aktuelle Schwerpunkte der Arbeit im ASB-Mädchencafé sind z.B. ein Medienkompetenztraining und ein längere Themenreihe über interkulturelles Lernen. Ein multinationaler Kulturclub: „Besmenja“ zur Förderung der Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zunächst durch abweichendes Verhalten im Illinger Burgpark aufgefallen waren, wurde in Zusammenarbeit mit dem Migrationsdienst des Diakonischen Werkes an der Saar ins Leben gerufen und erfolgreich geführt. Alle Illinger Jugendzentren sind heute offen für die aktuelle Flüchtlingslage, im JUZ Illingen hat sich bereits ein fester Veranstaltungsabend etabliert.
Jugendspielanlagen oder Multifunktionsspielfelder gibt es an vier Standorten, mit den Bolz- und Skateplätzen und der Beach-Volleyball-Anlage im Freibad Sonnenborn sind es insgesamt zehn. Hier könnte in dem einen oder anderen Fall künftig ein weiterer Ausbau mit Unterstellplätzen die Qualität von Treffpunkten Jugendlicher im öffentlichen Raum steigern. Aktuell arbeiten wir in Kooperation mit dem Turnverein 1894 Illingen e.V. an der Realisierung eines Crossfitparcours im Burgpark Illingen, der mit 10 000 € durch die ProWin-Stiftung gefördert wird.
Das Netzwerk der Jugendbüros im Landkreis Neunkirchen sowie der Illinger Vereine und Verbände bietet in allen Ferien und auch übers Jahr eine ganze Reihe von speziellen Veranstaltungen für Kinder Jugendliche, seien es erlebnisreiche Veranstaltungen hier bei uns, Ausflüge, Tagesfahrten, Ferienfreizeiten, Städtetouren oder Reisen. Wir haben den Illinger Ferienpass mit rund 70 Einzelveranstaltungen gerade aufgelegt und bieten in diesem Jahr wieder ein reichhaltiges Programm. Das und die Kinder- und Jugendarbeit in den Vereinen fördert die Gemeinde Illingen mit rund 40 000 € im Jahr.
Es geht uns, neben interessanten Erlebnissen in der Freizeit, Spaß und Unterhaltung aber immer auch um Vorbeugung/Prävention gegen Fehlentwicklungen im Jugendalter. Sucht, Gewalt und Radikalismus beispielsweise sind Phänomene, die in der Lebenswirklichkeit junger Menschen längstens angekommen sind. Jährlich setzen wir Präventionsschwerpunkte, in den vergangenen Jahren ging es um die Alltagsdroge Alkohol und das Rauchen, neu wird eine öffentliche Präventionskampagne zu den Folgen des Marihunakonsums sein, die in diesem Jahr startet. Mit Hilfe vieler Bündnispartner im Landkreis Neunkirchen hatten wir die HaLT-Kampagne ins Leben gerufen, die gezielt das sog. „Komasaufen“ im öffentlichen Raum ins Visier genommen hat, mit Erfolg, wie die neuen Statistiken zeigen. Bei großen Festveranstaltungen gibt es mittlerweile besondere Sicherheitskonzepte, wir haben Jugendschutzteams, die auf Augenhöhe mit anderen Jugendlichen einen guten Einfluss ausüben, wir waren auf Umzügen und großen Volksfesten, in den Freibädern, mit den Guttemplern zusammen an den Schulen, um immer wieder zu zeigen, volle Pulle leben geht auch ohne Alkohol. Zusammen mit der Juniorenfördergemeinschaft (JFG) Illtal e.V. hatten wir ein saarländisches Pilotprojekt zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol im Fußball begonnen, „Mitspielen kickt!“ war das Motto eines Turniers des saarländischen Fußballverbandes auf dem DFB-Minispielfeld in Hüttigweiler, mit der Aktion Saar-BOB versuchen wir vor allem unsere Fahranfänger davon zu überzeugen, sich nach dem Genuss von Alkohol stets fahren zu lassen und sich nie dem Risiko auszusetzen im angetrunkenen Zustand selbst zu fahren. Unsere Mitternachtsturniere und Soccer-Cups waren ausgebucht, sie zeigten nicht zuletzt, dass alles in allem eine attraktive, vielfältige und unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen entwickelte Freizeit- und Erlebniswelt in unserer Gemeinde sie nachhaltig stärkt und die beste Vorbeugung ist.
Schließlich bleibt es ein guter Teil unserer täglichen Arbeit, die Jugendlichen auf den Straßen und Plätzen aufzusuchen, Beziehungsarbeit zu leisten und Berater zu sein. Immer häufiger ist unser Jugendbüro zur ersten Anlaufstelle für Jugendliche und junge Erwachsene in Lebenskrisen geworden. Wir beraten, begleiten und vermitteln dann zu FachkollegInnen bis wir die Angelegenheiten auf einem guten Weg sehen.
Die Jugendarbeit in Illingen ist ein zentraler Akteur
Zusammengefasst, die Jugendarbeit in Illingen ist ein zentraler Akteur! Wir qualifizieren Jugendliche in JULEICA-Schulungen und mit vielen anderen offenen Bildungsangeboten, sie gestalten in den Jugendzentren und in anderen sozialen Kontexten ihre eigene kleine Lebenswelt und fügen sich in das Ganze unserer Kommune ein, z.B. durch Jugendkulturarbeit, Diskussionsforen, Bildungs-veranstaltungen, Workshops und so entsteht nachhaltige Beteiligung. Viele Jugendliche wachsen in kommunalpolitische Verantwortung u.a. auch dadurch, dass sie später verantwortliche Positionen in Vereinen übernehmen oder in Gremien wie dem Ortskernsanierungsausschuss, u.a. mitwirken. Wir erreichen darüber hinaus unsere Jugendlichen durch Veranstaltungen an und mit Schulen, z.B. Aktion Palca und AG Benin, aber auch im Rahmen von Drogen-, Gewalt-, Radikalismusprävention. Wir bieten ein reichhaltiges Freizeitprogramm mit Tagesfahrten, Städtetouren, Ferienfreizeiten und Bildungsangeboten. So lernen wir uns auch spielerisch kennen, bauen Beziehungen auf, die ggf. erst in ganz anderen Kontexten zum Tragen kommen. Selbstverwaltete Jugendzentren/Mädchencafé mit Begleitung und Betreuung, Kinderparlamente in allen Ortsteilen, Jugendforen, Jugendhearings, ein gutes Freizeit- und Bildungsangebot, in enger Kooperation mit in der Jugendarbeit engagierten Vereinen, Präventionsangebote in den Schulen, Jugendkulturarbeit, das sind die Formate, die hier erfolgreich über 20 Jahre hinweg erprobt wurden. Schlüsselpersonen sind die jugendlichen Vorstände in den Jugendzentren, die Jugendlichen selbst, jede/r Einzelne, Jugendleiter/ TrainerInnen in den Vereinen und Verbänden, das Jugendbüro und der Fachbereich 4: Bürgerbeteiligung und Demografie, die Streetworker, die Kreisjugendpflege, der JSKG, die KommunalpolitikerInnen, ein Spitzenteam in der Verwaltung und ein Bürgermeister, der für die wesentlichen Säulen dieser Entwicklung die Weichen gestellt hat. Illingen 2030 setzt auf neue demografische Weichenstellungen: Wir hatten Generationendialoge und viele BürgerInnengespräche, wir arbeiten z.B. mit „Häuser vorher-nachher“ an einer neue Baukultur und mehr Lebensqualität in den Ortsteilen, setzen darauf, das junge Erwachsene hier ihren Lebensmittelpunkt behalten, ganz besonders auf ihre Beteiligung in diesen und vielen anderen Prozessen und Projekten. Unsere Kommunalpolitik nimmt die Jugendlichen sozusagen mit, informiert sie und gibt einen Rahmen vor, der Identifikationsmöglichkeiten zulässt. Wir hatten von vorne herein allzu statische Beteiligungsinstrumente abgelehnt und uns stets für flexible Modelle eingesetzt, die sich den Strukturbedingungen hier in Illingen anpassen und können heute unsere Art, eine jugendgerechte Gesellschaft durch Jugend-beteiligung und eine Jugendpolitik in der Kommune umzusetzen, nur weiterempfehlen.
Mit den Kindern fängt es an, wir möchten ihnen eine schöne Kindheit, eine gefahrenfreie, interessante Lebenswelt und gute Strukturen in Kindergärten, Schulen und Freizeit anbieten, sie bilden für eine interessantes Leben, mit ihnen zusammen neue Lebens- und Spielräume erobern. Auch bei den Jugendlichen geht es zunächst darum ihnen ganz zweckfrei, einen Lebensraum anzubieten, in dem sie sich entfalten können, ihre Interessen und Begabungen leben können. Der Nutzen entsteht von selbst, wenn dieser Prozess gelingt und die jungen Leute, Schritt für Schritt, erst ihre Ideen einbringen, dann selbstverantwortlich Veranstaltungen organisieren, mitgestalten und mit bauen, um später vielleicht auch die eine oder andere Position in Beruf und Gesellschaft selbstverantwortlicher einnehmen zu können, am liebsten, sofern die Anforderungen an ihre berufliche Mobilität es zulässt, hier bleiben und in einer lebendigen, liebenswerten Kommune mitwirken.
Darum ist Jugendarbeit ein zentraler Akteur! Weil sie jede Menge Kontexte für außerschulische Bildung und Kompetenzen liefert, die in klassischen Ausbildungskontexten oft zu kurz kommen. Weil sie die jugendliche Identitätsentwicklung behutsam begleitet, schützt und Horizonte eröffnet, Selbsterfahrungen ermöglicht, weil sie es erlaubt ernst- und angenommen zu sein, Teil eines größeren Ganzen zu sein, dazu zu gehören, Anerkennung zu finden, das Leben lehrt, Konfliktbewältigung, Kommunikation, Auseinandersetzung, Demokratie, u.v.m trainiert, Gefährdungen thematisiert und die eigene Verantwortung für sich selbst und andere stärkt, weil wir einfach Freude daran finden zu sehen, dass es jungen Menschen gut geht, wir gute Beziehungen zu ihnen entwickeln, es schließlich ein wechselseitiger Prozess zwischen ihnen und uns Erwachsenen ist, der Neues individuell wie kollektiv entstehen lässt und ein immenses Potential für die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft in unserer Gemeinde bietet, vielleicht ganz besonderes heute, wo sich die „Welt da draußen“ zunehmend bedrohlicher zeigt. Es entsteht Wir-Gefühl, ganz gleich wo, für wen und wann wir oder sie es einmal brauchen werden. Es entstehen die Fähigkeiten sich so zu organisieren, dass man weder alleine noch für und mit anderen Angst zu haben braucht, dieser Welt nicht mehr gewachsen zu sein. Wir sehen, dass junge Leute von guten Erfahrungen in der Kinder- und Jugendarbeit profitieren, sie sich beruflich etablieren und eine Perspektive für sich und ihre Familien entwickeln konnten. Lebendige, praktische Angebote vor Theorie, das mögen junge Leute, erkennen dabei häufig nicht, dass sie in Lernkontexten sind. Sie begegnen uns als Erwachsene und wir sind immer noch auf Augenhöhe, ganz gleich was sich sonst verändert hat, das ist eine schöne Basis für jegliche weitere Zusammenarbeit, ganz gleich auf welcher Ebene. Wir können sicher sein, dass Kernkompetenzen und Werte auf einem gemeinsamen Nenner sind und, wenn nicht, offen diskutiert werden können, Radikalismus, Gewalt, Mobbing, Drogenkonsum, Rassismus, Diskriminierung, etc., soziale Abweichungen insgesamt nehmen ab, je besser die Beteiligung im Kindes- und Jugendalter gelingt.
Selbstverständlich steht hinter all dem ein ganzes Netzwerk. Wir arbeiten in enger Kooperation mit dem Landkreis Neukirchen, es gibt eine Arbeitsgemeinschaft der JugendpflegerInnen, sozusagen als eine Form der interkommunalen Zusammenarbeit, die viele Dinge auf den Weg gebracht hat, wenn es um die Ausnutzung gemeinsamer Ressourcenpotentiale ging, sei es finanziell, personaltechnisch oder ideell: große Veranstaltungen, Ferienlager, Messen, Familientage, Ferienfreizeitprogramme, etc.. Jüngstes und interessantes Beispiel: eine Projekt für Demokratie und Toleranz, das in Kooperation mit der Adolf-Bender-Stiftung über 5 Jahre hinweg angelegt ist und über eine längere Periode hinweg zusammen mit jungen und erwachsenen Menschen darauf abzielt, antidemokratische Ressentiments und neue Formen des Radikalismus zu bekämpfen. „Mut tut gut“, so nennen wir es hier in Illingen und praktizieren es erfolgreich in allen Grundschulen. Des Weiteren ist ein gute Vernetzung mit allen relevanten Einrichtungen: KIGA, Schulen, Vereinen, caritativen Verbänden (Diakonie, ASB, Caritas), DIE BRIGG, Familienberatungszentrum, Kreisjugendamt, Verwaltungen, LPH, LPM und den saarländischen Ministerien, u.a. entstanden, die in ihrer Gesamtheit als gute Struktur dieser Arbeit wirkt und sie stabil hält.
Und trotzdem war es stets die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Illinger Kommunalpolitik, der Verwaltung und des Jugendbüros, die eine Entstehung der beschriebenen Struktur unserer Kinder- und Jugendarbeit erst ermöglicht haben. Andere Städte und Gemeinden sind in vieler Hinsicht andere Wege gegangen und zu anderen Ergebnissen gekommen. In vielen Städten und Gemeinden haben mittlerweile Sozialverbände die Organisation und Betreuung einzelner Jugendzentren übernommen, neuerdings besetzen sie in Kooperation mit dem Landkreis Neunkirchen auch JugendpflegerInnenstellen, was abgesehen von zu kritisierenden formalen Gesichtspunkten der Zusammenarbeit, auf mittlere Sicht inhaltlich zu ganz anderen Arbeitsergebnissen führen wird, die sachliche und politische Einflussnahme der Sozialverbände stärken und die Unabhängigkeit der Kommunen schwächen wird, abgesehen davon, dass die Praxis schon heute eine Quote von Personalfluktuationen zeigt, die ebenfalls an der Beständigkeit und Nachhaltigkeit der Kinder- und Jugendarbeit zehren.
Die Illinger Kinder- und Jugendarbeit, sofern sie in hier beschriebenen Form Bestand hat, ist aus der Perspektive des demografischen Wandels gesehen, ein Fundament auf dem wir aufbauen können. Wir erachten es daher für notwendig, dass durch die Neueinstellung einer eigenständig wirkenden kommunalen Fachkraft die Kontinuität gewahrt wird.