Wie aus einer kleinen Idee ein gigantisches Erfolgsprojekt werden kann, wenn man daran glaubt, wenn man kämpft, wenn man brennt vor Begeisterung, wenn man Mitstreiter gewinnt. Ein kurzer Erfahrungsbericht aus Illingen im Saarland.
Die Landschaft der Industriekultur Nord mit Illingen, Merchweiler, Quierschied, Schiffweiler, Neunkirchen und Friedrichsthal gehört, wenn es um die Verbindung zwischen Urbanität und Naturschutz geht, zu den besten und attraktivsten in Deutschland. Beim Bundeswettbewerb „Zukunftspreis Naturschutz – idee.natur“ wurde sie als Preisträger ausgezeichnet. Im Finale, das den Titel „chance.natur“ trug, schafften wir Saarländer es völlig überraschend zum Bundessieg. Damit sicherten wir uns eine Millionenförderung des Bundes für ein innovatives Projekt.
Unser Ansatz ist ungewöhnlich: Wir wollen urbane Landschaft der Industrieregion um die Alt-Bergwerke Göttelborn und Reden und den Illinger Absinkweiher Hahnwies zu Freilandlaboren machen, in denen die Bürger Natur erfahren, Zeugen der Industriekultur entdecken und neue Routen erwandern können.
Wir wollen nicht die IBA Emscher Park kopieren, das wäre billig.
Unser Ansatz ist ein eigenständiger, der auf den Traditionen der Bergmannsbauern aufbaut, der die schwarzen Relikte der Industriekultur nicht verleugnet, sie aber gleichzeitig in die wunderschöne Hügellandschaft einbindet. Ziel des Naturschutzgroßprojekts,das bundesweit repräsentative Bedeutung hat, ist der Erhalt der „Landschaft der Industriekultur“ mit all ihren Facetten, ihre emotionale und landschaftliche Aufwertung sowie die Bildung einer neuen regionalen Identität.
Das ist gar nicht so einfach in einer Region, die sich lange über die Montanindustrie definiert hat. Und nicht nur das: Für die Bevölkerung bedeutete der Wegfall von Hütten und Bergbau in der Region jedoch den Verlust vieler Arbeitsplätze. Traditionen und Bindungen gingen verloren, die Montanfolgelandschaft wurde Wunde, als karge, schwarze Brache oder als neu zu gestaltete Projektfläche angesehen. Erst im Laufe der Jahre nahm die Region, nahmen auch die Bewohner wahr, wie schön die nicht-montane Hügellandschaft, wie malerisch die Fluss- und Bachauen, wie romantisch die Refugien für scheue Tiere sind.
Nahezu 100 Rote-Liste-Arten kommen hier vor. Um der Vielfalt an Lebensräumen gerecht zu werden, besteht das Kerngebiet aus 18 Teilflächen. Diese werden in vier innovativen „Landschaftslaboren“ gebündelt. Sie bilden die unterschiedlichen landschafts- und nutzungsbezogenen Eigenarten der Region vollständig ab, die in dieser Kombination auf engem Raum Deutschland-weit einmalig sind.
Rund um Illingen, wo wir Erfahrung mit national repräsentativen Naturschutzgroßprojekten haben (Illrenaturierung), sollen das Landschaftslabor „Vogelzug und wilde Weiden“ (232 ha) am Schlammweiher Hahnwies entstehen. Wir wollen, dass er zum Zentrum einer halboffenen Weidelandschaft mit kleinen Fließgewässern und größeren Weihern wird. Diese bietet Lebensraum für Zwergtaucher, Drosselrohrsänger, Geburtshelferkröte und Bachforelle. Auch Zugvögel sollen hier rasten.
Im Landschaftslabor „Neuerfindung der Bergmannskuh“ geht es um die Entwicklung siedlungsnaher Landwirtschaft (sieben Kerngebiete, 410 ha). Es baut auf der Selbstversorgungslandwirtschaft früherer Arbeiterbauern auf und nutzt das Interesse am Wissen über die Bewirtschaftung kleiner Landparzellen. Rote-Liste-Arten wie Nordisches Labkraut, Steinkauz und Edelkrebs haben sich rund um das Fließwassersystem angesiedelt, das zu diesem Komplex kleinräumiger Bewirtschaftung gehört.
Naturnahe, alte Buchenwälder prägen das Landschaftslabor „Forstwirtschaft und natürliche Prozesse“ (zwei Kerngebiete, 812 ha). Hier soll größtmögliche Naturnähe bei gleichzeitiger ökonomischer Tragfähigkeit erreicht werden (prozessschutzorientierte Forstwirtschaft). D.h., man greift so wenig wie möglich in den Kreislauf des Waldes ein und nutzt ihn nur selektiv für die Holzgewinnung. Dadurch werden zugleich Lebensräume für gefährdete Käferarten wie Beulenkopfbock und Zwerghirschkäfer erhalten.
Entdeckerpfade sollen die Landschaftslabore zugänglich machen. Sie sind Mittel der aktiven, sanften Besucherlenkung und berücksichtigen die naturschutzfachlichen Ziele der Landschaftslabore. In sensiblen Bereichen werden Besucher zu Beobachtungspunkten oder über Bohlenstege und Hängebrücken geführt. In anderen Bereichen werden Erholungsaktivitäten gezielt genutzt, um bestimmte Strukturen zu erhalten (z.B. Offenhaltung). So wird das Gebiet gleichermaßen naturverträglich und attraktiv zugänglich gemacht.
Ich finde dieses Konzept total spannend und habe es von Anfang an begleitet. Entstanden ist es im kleinsten Kreis zwischen Weihnachten und Neujahr 2007. Dass daraus eine Finalteilnahme im Naturschutz-„Casting“ „idee.natur“ (Preisgeld 10.000 Euro), ein Bundesieg (Preisgeld: Millionenförderung des Bundes) und ein bedeutender Zweckverband entstehen würde, konnte damals niemand ahnen.
Ich habe dabei eines gelernt: Dass aus einer kleinen Idee ein gigantisches Erfolgsprojekt werden kann, wenn man daran glaubt, wenn man kämpft, wenn man brennt vor Begeisterung, wenn man Mitstreiter gewinnt. Wir brauchen nicht nur die Kommunen, wir wollen auch die Menschen begeistern.
Leider haben sich schon wieder Kleingeister und Bedenkenträger eingenistet. Aber die werden wir auch noch davon überzeugen. Nachhaltigkeit ist Trumpf. Das ist unsere Chance.
Wir kriegen das hin, Leute. Glückauf!
Armin König, Bürgermeister
Der Zukunftspreis und die LIK Nord