Missionshaus-Planung mangelhaft und nicht genehmigungsfähig

MissionshauskritikProH2O Saar e.V.

FNP und B-Plan Missionshaus:
Signifikante Planungsmängel  und  -defizite

Risiko Starkregen und Hochwasser und Wasserwirtschaft – Eingriff in Habitate – „Green Living“ als Greenwashing – Die Vertreibung des Genius Loci und der Ausverkauf der Umwelt am Heiligen Berg

Stellungnahme der anerkannten Umweltvereinigung ProH2O Saar e.V. zum Bebauungsplan Missionshaus St. Wendel und zum im Parallelverfahren zu ändernden Flächennutzungsplan

25.9.202

  1. Vorbemerkung und Einleitung

Als landesweit tätiger anerkannter Umweltverein nehmen wir Stellung zum Bebauungsplan Missionshaus St. Wendel und zum im Parallelverfahren zu ändernden FNP.

Unsere Aufgabe sehen wir darin, als Sachwalter von Natur und Umwelt auf schwerwiegende Planungsmängel und Defizite im laufenden Verfahren und in den Plangrundlagen hinzuweisen. Davon gibt es eine ganze Reihe, auch und vor allem wenn es um die Belange von Umwelt und Natur geht, insbesondere um die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt (Schutzgüter-Betrachtung).

Wir sehen sehr wohl die Notwendigkeit, dass Kommunen im Falle von städtebaulichen Missständen und Leerständen ihre Planungshoheit im Sinne des Gemeinwesens unter Beachtung der Nachhaltigkeitsziele, der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Zukunftschancen der Generationen nutzen und kreativ und zukunftsweisend nachhaltig einsetzen. Das grundgesetzlich gesicherte Planungsrecht der Kommune hat einen hohen Stellenwert. Es gibt eine Vielzahl von Hausleerständen und es gibt städtebauliche Missstände im Sinne des BauGB in der Kreisstadt St. Wendel. Dies ist vom Stadtrat in der Vergangenheit schon beraten und dokumentiert worden. Angesichts der demografischen Entwicklung werden in den nächsten Jahren viele weitere ältere Häuser auf den Markt kommen, die als potenzielle Leerstände der Zukunft gelten, obwohl sie in erschlossenen Innenbereichen liegen. Deshalb verbietet sich eine weitere Flächenversiegelung in bisher unversiegelten Außenbereichen.

Vor diesem Hintergrund ist die zukunftsorientierte Bauleitplanung über die verbindliche Festlegung von Zielen städtebaulicher Ordnungsvorstellungen sinnvoll und notwendig. Diese müssen aber hinreichend konkretisiert und zulässig sein. Das ist hier nicht der Fall. Der Eindruck einer Wünsch-dir-was-Freibrief-Planungsgrundlage lässt sich nicht von der Hand weisen. Der Bebauungsplan erweist sich vielmehr als B-Plan zum Ausverkauf der Landschaft und zur Schädigung der Umwelt. Es handelt sich dabei nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um fundamentale Mängel.

Dass noch immer der antiquierte Flächennutzungsplan (FNP) von 1980 Grundlage der Bauleitplanung in der 3. Dekade des 21. Jahrhunderts ist, ist allerdings ein fundamentales Versäumnis der Stadt St. Wendel. Der FNP stammt aus einer Zeit, in der es weder PCs noch Handys noch Internet noch Globalisierung noch demografischen Wandel noch Klimawandel-Erfordnisse gab. Der alte Plan ist ein Torso mit viel Flickwerk. Eine Neuaufstellung wäre zwingend erforderlich. Der Geltungsbereich der vorgesehenen Änderungen ist mit 26 Hektar geradezu gigantisch und entspricht einem neuen Stadtteil.

 

  1. Fehlerbehaftete Planung

Die Planung ist gravierend mängelbehaftet und in wesentlichen Teilen rechtsfehlerhaft – formal und materiell-rechtlich. Das Konzept ist darüber hinaus baulich, klimatisch und ästhetisch höchst problematisch und in Zeiten des Klimawandels inakzeptabel; es bedroht in seiner Massivität das historische und natürliche Erbe des Missionshaus-Hügels.

Wir wollen uns ungeachtet dieser Grundsatzprobleme auf die speziellen Umweltbelange konzentrieren.

Konkret weisen wir auf folgende Mängel und Defizite hin – in der Erwartung, dass sie im Abwägungsprozess entweder erneut oder erstmals detailliert untersucht und in öffentlicher Sitzung vorgebracht und abgewogen werden mit der Möglichkeit, vor der Abstimmung des Stadtrats noch einmal nachzufragen oder Stellung zu nehmen.

  1. Die Umsetzung des Bebauungsplans, dessen Erforderlichkeit (§ 1, Abs.3 Satz 1 BauGB) ebenso in Frage steht (Anschein der „Gefälligkeitsplanung“; dient dem Anschein nach ausschließlich privaten Interessen) wie die Genehmigungsfähigkeit, hätte eine nicht nur theoretische Gefährdung für Eigentum, Leib und Leben der Unterlieger des Planbereichs zur Folge (siehe Gutachten), verschiebt die Aufwendungen und Risiken für Starkregenvorsorge, Regenwasserableitung und Grundwasserschutz einseitig auf die Kommune und die bisherigen Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler und würde die biologische Vielfalt durch die Kombination und Wechselwirkung von massiver Verdichtung, Nutzungsmaximierung, neuer Bodenversiegelung und unzureichender Wasser-Versickerung, Ableitung und fehlender Retentionsflächen bei Starkregen und Hochwasser gefährden. Sie verstößt damit gegen die Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG, die auch von Kommunen verbindlich zu beachtende europäische Wasserrahmenrichtlinie WRRL, die Essentials des Bundes-Klimaschutzgesetzesd.F. v. 2024 (Vermeidung von Treibgasemissionen, Vorbildfunktion der öffentlichen Hand) sowie gegen die Ziele der noch immer gültigen LEPs Umwelt und Siedlung (alt) und gegen Umweltrecht. Ein solcher Plan ist nicht genehmigungsfähig. In der Abwägungdebatte des Rats sind ausdrücklich und öffentlich diese Bedenken und die Stellungnahme der OBB und der kritisch sich äußernden TöB heranzuziehen, gutachterlich zu bewerten und sauber abzuwägen.
  2. Sowohl der Umweltbericht als auch das Entwässerungskonzept und die Starkregen-Betrachtung thematisieren fundamentale Mängel der bisherigen Wasser-Behandlung. Die Defizite werden offen angesprochen. Dazu gehören neben der fehlenden Konkretisierung des Investoren-Plankonzepte (problematisiert in mehreren Gutachten) u.a. die Dimensionierung der Kanäle und der Sanierungs- und Erneuerungsbedarf im Stadtgebiet. Der Hinweis der Gutachter auf Altlasten im Plangebiet und im unmittelbaren Umfeld des Plangebiets, die im Widerspruch zu den Kernforderungen der WRRL bisher aus Kostengründen nicht beseitigt wurden, liefert darüber hinaus einen entscheidenden Hinweis auf einen gravierenden Rechts- und Planungsmangel und einschlägige Verstöße: Kostengründe sind irrelevant, wenn gravierende wasserrechtliche Verstöße oder Defizite vorliegen. Das ist hier der Fall. Stattdessen sind Baumängel und Altlasten unverzüglich zu beseitigen, um Gefahren von Umwelt und Natur und von Menschen fernzuhalten. Bund, Länder und Kommunen sind zwingend gefordert, die Vorgaben der WRRL spätestens bis 2027 einzuhalten. Dies ist die letztmögliche Frist zur Einhatung der Richtlinie und ihrer Werte. Die Stadt St. Wendel ist in der Pflicht, im Sinne der Richtlinien-Einhaltung, des Biotopschutzes und der Gefahrenabwehr vor allen anderen Maßnahmen die schwerwiegenden Mängel (Altlasten, Vermüllung, Altes Schwimmbad) zu beseitigen und Vorsorge zur Einhaltung der Verbesserungspflichten der WRRL und der einschlägigen Umweltgesetze zu treffen, um bis 2027 alle Ziele einzuhalten (vgl. u.a. ARK-Umweltbericht, S. 23; S. 57; S. 58). Tut sie dies in den noch verbleibenden 3 Jahren nicht, ist sie haftbar bei Schadenersatzforderungen (Untätigkeit, Sanktionen der EU) und strafrechtlichen Verstößen. Das betrifft insbesondere den Bürgermeister und verantwortliche Verwaltungsmitarbeiter:innen, unter Umständen aber auch den Stadtrat, wenn er von den Defiziten wusste. Im Umweltbericht ist zu lesen: „Ziel muss es sein, die bereits bekannte Überflutungsproblematik im Bereich der Missionshausstraße durch die Planung nicht weiter zu verschlechtern“ (S. 58) und verweist dabei explizit auf die WRRL. Das ist ein K.O.-Kriterium für die gesamte Planung. Schwerwiegende Risiken für eine nicht erforderliche Wohnbebauungsplanung mir urbanem Charakter einzugehen, ist grob fahrlässig und unverantwortlich. ProH2O wird die Problematik der Defizite und Mängel aufsichtsrechtlich überprüfen.
  3. Die wasserwirtschaftliche Betrachtung ist unzureichend. Das beginnt bereits bei der sehr knappen und inhaltlich dürftigen Starkregen-Betrachtung des Institut ProAqua und den Berechnungsgrundlagen. Die angewandte Koordinierte Starkniederschlags-Regionalisierungs-Auswertung (KOSTRA-DWD-2010R) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) entspricht nicht dem Stand der Technik. Seit dem 1. Januar 2023 gilt KOSTRA-DWD-2020 als Referenz. Die von ProAqua angewandte Version KOSTRA-DWD-2010R ist nicht mehr aktuell. Sie geht auf Daten der Jahre 1951 bis 2010 zurück. Das bisherige Problem war, dass sich dass sich lokal aufgetretene, besonders extreme Ereignisse nur in gedämpfter Form auf die Parameterschätzung auswirkten. Seither hat sich die klimabedingte Starkregen-Entwicklung dramatisch verschärft. Ein Anlass war unter anderem das „Münster-Ereignis“ aus dem Juli 2014. Der Datensatz KOSTRA-DWD-2020 ist nach Information des Deutschen Wetterdienstes »grundlegend überarbeitet und erneut fortgeschrieben worden«. Sie sollte nach DWD-Ansicht dringend aktualisiert werden. So sind bisher nicht genutzte Datenbestände (u. a. Wetterradar und Daten aus weiteren Messnetzen) zur Erhöhung der Zuverlässigkeit der Ergebnisse einbezogen worden. Die Methodik zur Regionalisierung von Starkniederschlagshöhen ist deutlich verbessert worden. So konnten rund 1.410 Stationen identifiziert werden, die in bisherigen Fortschreibungen zum größten Teil nicht berücksichtigt wurden. Die vorliegende Betrachtung ist demgemäß nicht brauchbar und muss anhand der neuen DWD-Version neu erarbeitet werden.
  1. Die theoretischen Annahmen des Wasserabflusses verkennen die unkontrollierbaren Wechselwirkungen zwischen massivem Starkregen, Bodenbelastung und -versiegelung, plötzlich auftretenden Stau-Hindernissen und unzureichendem Ausbau der wasserableitenden Strömungslinien (Kanäle). Es gilt mittlerweile als gesichert, dass durch Verkettung von Ereignissen auch in unproblematisch erscheinenden Bereichen Unwetter und deren Folgen in kürzester Zeit entropie-artig außer Kontrolle geraten können. Solche Starkregenereignisse sind mittlerweile auch außerhalb von Vorflutern oder Tallagen zu verzeichnen und deshalb als worst case zu betrachten, wenn umfangreiche Flächen-Versiegelungen vorgesehen sind. Dass dabei verheerende und nicht vorhersehbare Schäden auftreten können, belegen die Starkregenfolgen im Saarland 2024 (über 40 Millionen Euro Schäden, davon zweistellige kommunale Millionenschäden), in Bayern, Österreich, Tschechien, Polen. Unbestritten ist, dass insbesondere lokal begrenzte Unwetterzellen wegen der Klimaerwärmung immer häufiger auftreten und nicht prognostiziert werden können. Das Beispiel Dirmingen mit massivsten Schäden am Hang weit außerhalb von Fließgewässern belegt, dass eine Betrachtung, die sich auf Tallagen und Vorfluter konzentriert, fehlerhaft defizitär ist. St. Wendel hat im Bereich des Cusanusgymnasiums in diesem Jahr einen Vorgeschmack auf mögliche Großschäden erlebt. Die vorgesehen Bebauung im Sinne „Urbaner Gebiete“ nach BauGB mit hoher Verdichtung und hohem Flächenverbrauch, hohem Betonverbau und damit umfangreichem CO2-Einsatz und weitestgehender Umsetzungsfreiheit (Platzhalter-Planung mit dem Anschein der Gefälligkeitsplanung) würde zu einer signifikanten Verschärfung der jetzt schon angespannten Situation mit Gefahren für Eigentum, Leib und Leben insbesondere im Bereich der Missionshausstraße, aber auch in anderen Bereichen führen. Dies ist unzulässig und rechtsfehlerhaft.
  1. Der Umweltbericht listet eine Vielzahl geschützter Arten (u.a. Vögel, Fledermäuse, Haselmaus) auf, deren Habitat durch die Baumaßnahme anders als behauptet durch Verkehrslärm, Abgase, Versiegelung, Trockenlegung in Mitleidenschaft gezogen werden kann und voraussichtlich auch wird. Die Aussagen der Gutachter überzeugen nicht und werden hiermit bestritten. Vermeidung geht vor Ausgleich, wenn eine Baumaßnahme nicht oder in diesem Umfang nicht notwendig und eine Überplanung auf dieser Grundlage nicht erforderlich ist. Da es etwa für die derzeit ohnehinunzulässige Wohnbebauung in diesem Bereich dokumentierte Alternativen im Stadtgebiet gibt, ist dieser wesentliche Teil der B-Planung nicht genehmigungsfähig. Der Verdacht dräng sich auf, dass mit Blick auf Landes-Vorgaben an anderer Stelle Wohneinheiten gestrichen wurden, um die Wohnbebauung am „Heiligen Berg“ des Missionshauses zu ermöglichen. FFH-Richtlinie, Vogelschutz, Fledermausschutz werden u.E. nicht ausreichend eingehalten. Das ist unzulässig. Die Wechselwirkungen des Eingriffs werden verharmlost. Notwendig ist u.E. zunächst ein ganzjähriges Dauer-Monitoring (Fledermäuse, Vögel). Echte Prognosen sind derzeit auch deshalb nicht zu leisten, weil die Beliebigkeit der Platzhalter-Konzeption der Investoren eine echte Datenmodellierung nicht zulässt (Verkehrsprognosen, Lärmprognosen, Eingriffsregelungen). Deshalb muss vom Worst Case ausgegangen werden – auch mit Blick auf FFH, WRRL, Natura-2000-Richtlinie.
  1. Bevor eine Abwägung und Abstimmung stattfinden kann, muss eine aktuelle Verfilmung der zentralen Regenwasser- und Abwässerkanäle im Hinblick auf Hydraulik, Schäden, Hindernisse (Einwachsungen, Barrieren, Gefahrenstellen) öffentlich präsentiert und diskutiert werden; sofern sie nicht aus den Jahren 2022-2024 stammt, ist eine aktuelle Neuverfilmung erforderlich. Dabei sind nicht Prioritätenlisten maßgeblich, sondern wegen des Charakters kommunizierender Röhren umfassend flächige Netzuntersuchungen. Dies ist Grundvoraussetzung für Eingriffe in den Wasserhaushalt und die Niederschlagwasserbewirtschaftung. Diese Eingriffe sind weitaus größer als bisher behauptet.
  1. Allein der Bau von Speichervolumina in einer Größenordnung von mehr als 3000 Kubikmeternverbraucht enorme Mengen Treibhausgase und ist angesichts der topografischen Gegebenheiten mit Baukosten von mindestens 4 bis 7 Millionen Euro zu veranschlagen, die von der Kommune bzw. den Gebühren- und Steuerzahlern aufzubringen sind. Diese Aufwendungen Allgemeinheit stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen, der ohnehin nach den Vorstellungen der Investoren privatisiert und monetarisiert werden soll. In diesen Berechnungen sind die Aufwendungen für die Ertüchtigung der Regenwasser- und Abwassserbewirtschaftung im Sadtgebiet am Missionshausstraße noch nicht enthalten.
  2. Das Starkregenvorsorgekonzept muss Gegenstand ausführlicher öffentlicher Stadtrats-Beratungen vor Abstimmung sein – und zwar im direkten Zusammenhang mit der Änderung des FNP und des B-Plans. Dies ist durch die Gutachter zu problematisieren.
  1. Kommunale, baurechtliche, architektonische und partizipative Defizite

Dass die Stadt bisher (23.9.2024) keinen städtebaulichen Vertrag im Entwurf vorgelegt hat, widerspricht dem Öffentlichkeits- und Transparenzgebot. Dass die Chance eines Sanierungsgebietesnicht genutzt wird, obwohl die Chancen offenkundig sind (Abschöpfung von umfassender privaten Grundstücks-Aufwertungsprofiten zur Kostenreduzierung öffentlicher Aufwendungen und der Daseinsvorsorge ; erhöhte Abschreibungs- und Fördermöglichkeiten), dass die architektonische Brutal-Planung im PRORA-STIL jegliches Gefühl für Historie, Stadtgestalt und Nachhaltigkeit vermissen lässt und einen umfassenden CO2-Einsatz erfordert, der bisher rechtsfehlerhaft in keiner Weise dokumentiert ist, dass mit dem „Urbanen Gebiet“ großstädtische geprägte Planunginstrumente zur gefälligen Profitmaximierung der Investoren zu Lasten der Innenstadt angewandt werden, die Lärm, Verdichtung und Versiegelung geradezu fördern statt zu vermeiden, belegt die erheblichen Defizite des Bebauungsplans, der in seiner Gänze ungeeignet ist. Das gilt für die Entwicklung der Kreisstadt St. Wendel ebenso wie für Klima-, Umwelt und Kulturschutz. Eine Planung ohne ausreichend präzise Festsetzungen, Nutzungen und Nutzungsausschlüsse gibt Investoren Narrenfreiheit.

  1. Auswirkungen auf Schutzgüter

Besonders negativ betroffen sind die Schutzgüter Wasser und Boden/Fläche. Der Umfang der zu erwartenden Belastungen und Schädigungen ist nicht akzeptabel. Altlastenuntersuchungen fehlen, Datengrundlagen sind veraltet, Verfilmungen der Mischwasserkanäle wurden nicht vorgelegt, Versiegelungsgrade und Verdichtungen nicht konkretisiert. Die Betrachtungen zum Schutzgut Klima sind wegen fehlender Treibshausgas-prognosen defizitär. Die Aussagen zum Schutzgut Landschaftsbild werden bestritten. Die Ortsbildqualität wird massiv gestört, das historische Erbe zerstört (Schutzgut Kultur). Der behauptete „hohe Bedarf an Wohnraum“-Neubauten ist nicht empirisch belegt und demografisch widerlegt. Neubauten sind angesichs der vorausgesetzen enormen Hochwasser- und Starkregenschutz-Vorsorgemaßnahmen nur unter hohem Aufwand für besonders Wohlhabende Bauwillige möglich. Die Allgemeinheit zahlt, damit eine privilegierte Schicht umwelt- und klimaschädlich schädlich neu bauen kann.

  1. Grundsätzliche Einschätzung: Verlust des Genius Loci

Der Missionshaus-Hügel, St. Wendels unverwechselbarer „heiliger Berg“, der über hundert Jahre stiller Rückzugsort der Steyler Missionare, Anbetungsort für den heiligen Wendelin und durchaus lebendige Bildungsanstalt vieler Schülerinnen und Schüler war, soll auf Antrag der profitorientierten „SG Strukturholding Missionshaus GmbH“ durch voluminöse und massiv wirkende Urban-Architektur in seinem Charakter radikal umgestaltet werden. Was „Green Living“ genannt wird, ist Greenwashing, ein Etikettenschwindel, auch für potenzielle Geld-Anleger, planerisch verbrämt von Investoren, Planern und Architekten, denen offensichtlich das Gespür für Historie, Baukultur, Nachhaltigkeit und Stadtgestalt abgeht. Ziel des architektonisch bisher völlig nichtssagenden Profit-Projekts ist ein neues hochpreisiges, gesichtsloses, steriles, vielgeschossiges Unternehmens- und Wohnquartier im Grünen, das vor allem für Investoren und (nachhaltig orientierte?) Fondsanleger profitabel sein soll und zudem in bisher unangetasteter Lage durch Flächenversiegelung exklusive Einfamilienhaus-Träume von Besserverdienern erfüllen soll. Damit einher geht nach den vorliegenden Investoren-Plänen eine Zerstörung des Genius Loci. Das Charisma des Ortes wird mit Abrissbirne und Betonmischern pulverisiert. Es ist die gewollte oder ungewollte Vertreibung des heiligen Wendelin und des Steyler Missionsgeistes vom Heiligen Berg.

Gewinne werden privatisiert konträr zur Daseinsvorsorge und zu Lasten der Allgemeinheit und deren Allmende, kurz- und langfristige Risiken werden sozialisiert und auf die Stadt und deren Bürgerinnen und Bürger verschoben, ohne dass die Betroffenen sich angemessen dagegen wehren können.

Eine umfassende frühzeitige Bürgerbeteiligung im klassischen Sinne des Baugesetzbuchs hat nicht stattgefunden. Das ist deshalb kritisch, weil es sich sowohl bei der Bauleitplanung als auch beim Bebauungsplan um wesentliche Veränderungen des Gebietscharakters und der Ziele der Nutzung sowie der Umweltauswirkungen handelt. Die Eingriffe haben weitreichende Auswirkungen für Stadt und Stadtgesellschaft, aber auch für Natur und Umwelt, Wasserhaushalt und Erholungswert. Statt echter Öffentlichkeits-Beteiligung wurde Bürgerbeteiligung nur simuliert. Ziel der Partizipation nach BauGB ist es eigentlich, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Bau- und Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern, bevor die wesentlichen Planungs- und Satzungsentscheidungen getroffen sind. Das war hier offensichtlich nicht gewollt. Diese partizipative Planung und Ideenfindung wären aber zwingend erforderlich.

Ging es über Generationen einerseits um Spiritualität, religiöse Anbetung, Mission und Kultur und andererseits um nachhaltige wertegebundene Bildung und Erziehung, wird in Zukunft nur noch der Profit von Investoren durch künstliche konzentrierte Bodennutzung und Flächenverbrauch (Stichwort „urbanes Gebiet“) im Vordergrund stehen. Hier wird ein großstädtischer Planungsansatz für verdichtete Bereiche in das Randgebiet einer Kleinstadt transferiert.

Die Folge: Durch eine nach unserer Ansicht verballhornte Anwendung eines neuen Gebietstyps, der vorwiegend dazu dienen sollte, in und an großstädtischen Gewerbegebieten auch Wohnbebauung zu ermöglichen, wird unter Missachtung aller siedlungs-, klima- und nachhaltigkeitspolitischen Grundsätze eine rücksichtslose 1980er-Jahre-Planung ohne tatsächliche Bürgerpartizipation im Sinne marktwirtschaftlicher Nutzenoptimierung von Investoren exekutiert.

Unverständlich ist, dass die Verwaltung dies so geschehen lässt, ohne dem Planungsrecht der Kreisstadt St. Wendel nachhaltig Geltung zu verschaffen. Von eigenverantwortlicher, partizipativer Selbstverwaltung und -gestaltung kann keine Rede sein.

Fazit

Aus einem Stadtrand-Sondergebiet religiöser Prägung mit singulärem Charakter und besonderer Bedeutung am Rand der Stadt auf einem Solitär-Hügel wird ein großstädtische geprägtes gesichtsloses Quartier mit verdichtetes Bebauung, insbesondere dominanten Bauriegeln, die verbotenerweise bis in den nahen Wald hinein reichen, mit höherer Lärm- und Verkehrsbelastung, vielen neuen zentralen Parkplätzen in bisherigen Grünbereichen und flexiblen und im jetzigen Planungsstadium völlig unkonkreten Umsetzungsideen im Sinne gewinnorientierter Renditeüberlegungen.

Wir stellen keineswegs das Planungsrecht der Kommune in Frage – im Gegenteil.

Die Kreisstadt St. Wendel sollte dieses Recht aber selbst aktiver, intensiver und rechtssicher im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowie der natürlichen Umwelt und der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) wahrnehmen und dabei ihre Steuerungsmöglichkeiten umfassend unter intensiver Beteiligung der Bevölkerung (partizipative Entwicklungsplanung im Sinne einer Bürgerkkommune) nutzen. Bisher ist auch die Partizipation extrem defizitär. Stattdessen wird partizipative Entwicklungsplanung unter Federführung der Kommune und externer Moderation empfohlen.

Dr. Armin König

Vorsitzender

Bürgermeister a.D.

Illingen