Missionshaus-Gelände ist Teil eines länderübergreifenden Biotopverbund-Vorhabens
Vor neuem Landesentwicklungsplan noch schnell Fakten schaffen? – Bundesnaturschutzgesetz wird ignoriert
von Dr. Armin König
Bisher spielte das Thema Biotope beim Millionen-Missionshausprojekt keine Rolle. Bürgermeister Peter Klär, CDU und ProWND äußerten sich bisher so, als sei das grüne Gelände frei verfügbare Bau-Masse, was angesichts des Bodenschutzgesetzes falsch und rechtswidrig ist. Schaut man sich die für St. Wendel relevanten Pläne an, stellt man fest: Upps: Da gibt es noch eine Überraschung. Das Missionshausgelände und das Umfeld sind Teil eines Bundesländer-übergreifenden Biotop-Verbund-Systems. Die Planung im neuen Landesentwicklungsplan Siedlung sieht ein »Vorbehaltsgebiet Biotopvernetzung« vor. Den neuen LEP gibt es aber noch nicht. Er ist in der Anhörung. Erfahrene Planer wie Sarah End (KERNPLAN) oder Dr. Joachim Weyrich (ARK Umweltplanung) kennen ihre Plangrundlagen – und wissen, dass man jetzt noch schnell Fakten schaffen kann, bevor der neue Landesentwicklungsplan in Kraft tritt. Man zerstört Natur und schafft »Ausgleichsflächen« an ganz anderer Stelle. So geht Umweltschutz(-Verweigerung) in Deutschland, im Saarland, in St. Wendel. Das heißt aber nicht, dass das Thema irrelevant ist.
Es steht schon lange als Pflicht im Bundesnaturschutzgesetz (§21). Die Pflichtaufgabe wird aber von den Ländern weitgehend ignoriert. Das ist fatal.
Die Heinz-Sielmann-Stiftung schreibt: »Ein hoher Flächenverbrauch und die Intensivierung der Landnutzung haben dazu geführt, dass wertvolle Lebensräume verloren gehen und vielerorts nur noch kleine, isolierte Biotopflächen übrig geblieben sind.« Die Hoffnung: »Indem wir Biotope miteinander verbinden und neue herstellen, können wir dem Artenrückgang begegnen und ihn lokal sogar umkehren.« Biotopverbünde seien »engmaschige Rettungsnetze für die Natur«. Ähnlich argumentiert auch das Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (Radolfzell/Konstanz).
Weil Biotopschutz durch Vernetzung im Saarland auf die lange Bank geschoben wird, sind absurde Planungen wie üppige Neubaugebiete im Grünen mit Biotopzerstörung oder eine Batteriefabrik im Wasserschutzgebiet (SVolt) hier möglich – zumindest planerisch, trotz planerischer Vorbehalte im künftigen Landesentwicklungsplan. Angesichts des dramatischen Artenschwunds ist dies schlicht unverantwortlich. Umso besser, wenn Projekte wie SVolt oder Missionshaus-Gigantomanie sich zerschlagen. Denkbar immerhin, dass Gerichte der Biotopzerstörung in Normenkontrollverfahren einen Riegel vorschieben. Wegen Europarechtswidrigkeit. Und mit Blick auf das Bundesnaturschutz-Gesetz.
Mir war die Plankennzeichnung im neuen Landesentwicklungsplan Siedlung aufgefallen. Natürlich war mir schnell klar, dass das im Saarland nicht genehmigungsrelevant ist bei einem Plan, der 2024 aufgestellt worden ist. Hier bei uns gehen die Uhren langsamer.
Ich habe aber trotzdem beim Umweltministerium nachgefragt.
Ministeriumssprecherin Melanie Löw erklärte, da es im geltenden LEP Umwelt keine Vorbehaltsgebiete Biotopverbund gebe, gebe es auch »keine Konflikte mit der Festlegung«. Es gibt zwar eine Schutzverpflichtung im § 21 des Bundesnaturschutzgesetzes, die ist aber nur ein Papiertiger. Die Länder halten sich einfach nicht an die gesetzliche Pflicht. Immerhin: Wenn erst einmal der neue Landesentwicklungsplan in Kraft ist, muss zumindest eine Abwägung stattfinden. Das gilt dann für neue Bauleitpanverfahren. Viel hilft das aber nicht. Melanie Löw: »Vorbehaltsflächen für Biotopvernetzung bzw. Vorbehaltsgebiete für Biotopverbund im neuen Entwurf des LEP werden Grundsätze der Planung sein. Das heißt, sie sind bei Planungen zu berücksichtigen. In Bebauungsplanverfahren können sie dabei zum Beispiel im Rahmen einer Abwägung berücksichtigt werden, sind aber nicht zwingend (vollständig) umzusetzen.«
Umweltpolitisch ist dies unbefriedigend. Bayern hat schon 2005 die Losung ausgegeben: »Mit Biotopverbund in die Kulturlandschaft des neuen Jahrtausends.« (Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau). Es wäre unbedingt erforderlich, dass Gerichte der Biotopzerstörung in Normenkontrollverfahren einen Riegel vorschieben. Wegen Europarechtswidrigkeit. Und mit Blick auf das Bundesnaturschutz-Gesetz.
Prof. Peter Berthold vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (Radolfzel/Konstanz) schrieb schon 2017 in einem vielbeachteten Fachaufsatz:
»Deutschland hat innerhalb weniger Jahrzehnte einen Großteil seiner Pflanzen und Tiere verloren, vor allem bei Vögeln und Insekten sind die Rückgänge erschreckend.«
Muss man das einfach so hinnehmen? Dass wir demnächst immer häufiger einen »stummen Frühling« erleben? Mit allen Folgen für Natur UND Menschen?
Berthold hat einen Vorschlag: »Jeder Gemeinde ihr Biotop« – und »ein bundesweiter Biotopverbund soll … den rasanten Rückgang der Artenvielfalt stoppen«.
Prof. Berthold führt die katastrophalen Artenverluste auf die Intensivierung der Landwirtschaft, Flächenverluste durch Bebauung, Verkehr und andere Nutzungsformen zurück, die zusammen nahezu die gesamte Landesfläche betreffen. Bei Insekten seien zudem die Folgen der flächendeckenden Lichtverschmutzung ausschlaggebend. Trotz zahlreicher Maßnahmen wie Naturschutzgesetzen, Verordnungen und Schutzgebieten sei es bislang nicht gelungen, den Artenschwund zu stoppen, wie die immer länger werdenden Roten Listen gefährdeter Arten zeigen. Nur wenige Tierarten, darunter Biber, Luchs, Wolf, Kranich, Seeadler und Wanderfalke, hätten sich in den letzten Jahren wieder erholt oder neu angesiedelt.
Die Politik wird nichts dagegen unternehmen. Man schiebt selbst gesetzliche Vorgaben wie das Bundesnaturschutzgesetz auf die lange Bank.
Prof. Berthold erklärt, dass die oft erwähnte Biodiversitätskrise sich längst zu einer existenziellen Biodiversitätskrankheit entwickelt habe, die mittlerweile so gravierend sei, dass sie von Politikern kaum noch thematisiert werde. Der Grund dafür liege darin, dass eine ernsthafte Diskussion schnell offenlegen würde, dass der auf Naturzerstörung basierende Wohlstand drastisch reduziert und Milliarden Euro für den Erhalt der Artenvielfalt investiert werden müssten, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Solche drastischen Maßnahmen wolle jedoch kein Politiker seinen Wählern zumuten, da dies seine Wiederwahl gefährden könnte.
Info:
Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG)
§ 21 Biotopverbund, Biotopvernetzung
(1) Der Biotopverbund dient der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen. Er soll auch zur Verbesserung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ beitragen.
(2) Der Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen. Die Länder stimmen sich hierzu untereinander ab.
(3) Der Biotopverbund besteht aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Bestandteile des Biotopverbunds sind 1.
Nationalparke und Nationale Naturmonumente,2.
Naturschutzgebiete, Natura 2000-Gebiete und Biosphärenreservate oder Teile dieser Gebiete,3.
gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30,4.
weitere Flächen und Elemente, einschließlich solcher des Nationalen Naturerbes, des Grünen Bandes sowie Teilen von Landschaftsschutzgebieten und Naturparken,
wenn sie zur Erreichung des in Absatz 1 genannten Zieles geeignet sind.
(4) Die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente sind durch Erklärung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2, durch planungsrechtliche Festlegungen, durch langfristige vertragliche Vereinbarungen oder andere geeignete Maßnahmen rechtlich zu sichern, um den Biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten.
(5) Unbeschadet des § 30 sind die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Sie sind so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können.
(6) Auf regionaler Ebene sind insbesondere in von der Landwirtschaft geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen (Biotopvernetzung).
Literatur:
ARL (2016): Biotopverbund Nordwest – Der Beitrag der Raumordnung. Positionspapier aus der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Großräumige Kompensation und landesweiter Biotopverbund“ der
Landesarbeitsgemeinschaft Bremen/Hamburg/Niedersachsen/Schleswig-Holstein der ARL. Hannover, 2016.
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0156-01068
Arnold, Christopher Lucas (2022): Das sächsische Biodiversitätsprogramm „Biologische Vielfalt 2020″–eine Analyse strategischer Ansätze zum Biotopverbund. 2022. Bachelorarbeit.
Berthold, Peter (2017): Jeder Gemeinde ihr Biotop. Deutschland bietet immer weniger Tieren und Pflanzen Lebensraum und Nahrung – ein bundesweiter Biotopverbund soll deshalb den rasanten Rückgang der Artenvielfalt stoppen. https://www.mpg.de/biotopverbund-deutschland
Europäische Kommission (2011): Lebensversicherung und Naturkapital: Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020. KOM (2011) 244 final. Brüssel.
Heinz-Sielmann-Stiftung (o.J.): Biotopverbünde. Engmaschige Rettungsnetze für die Natur. https://www.sielmann-stiftung.de/natur-schuetzen/grundsaetze/biotope-verbinden
Ullrich, Karin, Peter Finck, and Uwe Riecken (2020): Biotopverbund in Deutschland – Anspruch und Wirklichkeit. ANLiegen Natur 42. Jg., Nr. 2, S. 10.
siehe auch:
https://wordpress.com/post/illiconvalley.wordpress.com/141