Lettau gelesen

Ich habe mal wieder Reinhard Lettau gelesen.

„Zerstreutes Hinausschaun“.

So schreibt heute keiner mehr

Auf Lettau bin ich durch Zufall gestoßen.

Zum ersten Mal hatte ich als Schüler etwas von ihm gelesen: Im Lesebuch „Deutsche Literatur der sechziger Jahre“ von Klaus Wagenbach. Das hatte ich an einem Buchstand der SV an unserer Schule gekauft. Wie es möglich war, solch kritische Schriften in unser Illtal-Gymnasium Illingen zu schmuggeln, als das noch gar nicht en vogue war, ist mir bis heute ein Rätsel. Damals gab es noch Jusos. Die waren unsere Konkurrenz. Das alternative Lesebuch habe ich heute noch. Wird heute für 50 Cent verramscht. „Zerstreutes Hinausschauen“ ist mir vor ein paar Wochen in der Unibibliothek aufgefallen. Ich hab’s dann für 2 Euro antiquarisch gekauft.

Reinhard Lettau (1929–1996) war ein deutsch-amerikanischer Schriftsteller, der zu den zentralen Stimmen der literarischen Avantgarde der Nachkriegszeit gehörte. Lettau nahm an Tagungen der  Gruppe 47 teil und war bekannt für seine experimentelle und sehr kritische Prosa. Im April 1967 hielt Lettau an der Freien Universität Berlin eine Rede unter dem Titel »Von der Servilität der Presse«, in der er die West-Berliner Springer-Presse als „polizeihörig und servil“ kritisierte, da sie sich auf die Seite der Autoritäten stelle, anstatt diese zu kontrollieren. Eine daraufhin verordnete Ausweisung Lettaus, mit der Begründung, er habe als Ausländer gegen die deutsche Polizei aufgewiegelt, wurde erst nach langen Debatten zurückgenommen.

 

 

Zitate:

„Von der Servilität der Presse“ (Reinhard Lettau, Zerstreutes Hinausschaun, 85)

„Ich habe immer von der Westberliner Presse gesprochen. Das klingt so, als sei dies eine abstrakte Macht. Aber Westberliner Presse: das sind ja einzelne Menschen, die gibt es ja wirklich, auch wenn Sie‘s nicht glauben, die laufen ja hier rum, die starren dich an,  und was sie leisten, ist so plump, dass auch das stumpfeste kritische Besteck sich noch als zu fein erweist, um benutzt werden zu können“. (S. 87)

„Der Witz, den die Herren nicht einsehen wollen, ist eben dieser: wir sind etwas anspruchsvoller geworden, das hat sich leider nicht vermeiden lassen, wir wollen etwas mehr als Demokratie nur in Leitartikeln, weil wir gelegentlich auch etwas mehr lesen als diese Leitartikel….“ (S. 86)

„Verantwortlich sind wir da, wo wir leben und wo wir eine Chance haben, etwas zu verändern, Ansprüche müssen wir zuerst dort stellen, wo wir selbst sind.“ (S. 87)

Aus: 

Von der Servilität der Presse

Rede, gehalten am 19. April 1967 im Auditorium Maximum der Freien Universität Berlin