Alice Munro gelesen

Was für ein Lese-Erlebnis!
Alice Munro. Liebes Leben. Erzählungen. Keine leichte Lektüre. Verlierer, Zukurzgekommene, Menschen, die mit Schuld umgehen müssen. Aber es ist ein Erzählband mit wunderschönen Passagen. „Wichtig ist nur, glücklich zu sein“, sagte er. „Alles andere ist egal. Das musst du versuchen. Du kannst es. Es wird immer leichter. Es hat nichts mit den Umständen zu tun. Du glaubst gar nicht, wie gut das tut. Nimm alles hin, und die Tragödie verschwindet. Oder sie wird jedenfalls leichter, und du bist einfach da, gehst entspannt durch die Welt.“ (S. 129)

Auch eine schöne Passage: „Sie wirkte keck und zugleich kindisch. Das mochte einen Mann anfangs reizen, aber dann würden ihre vorlaute Art sowie ihre Selbstgefälligkeit, wenn sie denn echt war, langweilig werden. Immerhin war Geld da, und das wurde manchen Männern nie langweilig.“ Alice Munro, Liebes Leben, Corrie (S. 184). Man könnte ein Dutzend Sentenzen zitieren. Von Menschen, die sich neu orientieren müssen. Von schrägen Vögeln, von seltsamen Protagonisten, die irgendwie über die Runden kommen. Munro erzählt, total geerdet, lakonisch von Sexismus, Missachtungen, kleinen und großen Bosheiten aus dem Alltag „kleiner“ Angestellter. Mein Gott, die Frau schreibt verdammt gut. Ob es ihr letzter Erzählband ist? Dir Kritiker munkeln…

Es wäre schade.

Sie hat den Nobelpreis wirklich verdient. Auch wenn die Grundausrichtung ihrer Werke etwas sehr Trauriges hat…

Armin König