Attacke der Merz-Freunde: Wollen CDU- Mittelstandspolitiker den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zerschlagen?

Rundfunkdebatte – emotional und rational

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist konservativen Politikern seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Man pflegte stets seine Vorurteile und pflegt sie bis heute – und manchmal waren (und sind) sie auch berechtigt. Damals gab es noch wirklich linke Journalisten. Aber auch tiefschwarze… Das war so, als ich noch bei der Saarbrücker Zeitung gearbeitet habe. Das war auch so, als ich Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion war. Dort habe ich das Innere des konservativen Meinungskampfs kennengelernt. Ich bin dann wieder in den Journalismus gewechselt. Und als ich selbst SR-Nachrichtenredakteur und Mitglied der Landespressekonferenz und des Journalistenverbands war, habe ich es von der anderen Seite erlebt, wie Vorurteile gepflegt wurden. Man vergisst das nicht.“Rotfunk“ tönte es polemisch. Es gab sogar ein paar Exponentinnen, auf die das Etikett gepasst hätte. Und es gab Strippenzieher. Ich erinnere mich an einen legendären Anruf aus der Staatskanzlei Lafontaines an meinen Programmdirektor Hans-Harro Schmidt, als ich samstags morgens eine Spiegel-Vorabmeldung zu Oskars Rentenaffäre in den Hauptnachrichten gemeldet habe. Und Harro rief mich zornig an. Wir haben das dann erst lautstark, dann ganz souverän besprochen. Die Sache war schnell erledigt: die Meldung lief auch um 11 Uhr, und um 12 Uhr hatten wir noch ein Hintergrundstück dazu. Wir haben in der Nachrichenredaktion immer Wert auf professionelle Auswahl, professionelle Formulierung gelegt – nix Parteipolitik, keine Kompromisse. Gleiches galt bei Axel Buchholz im Journal. Und auch in der Landespolitik war das Gesetz. Zweifelsohne gab es auch andere Zeit-Genossen. Das ist wie in jedem Job. Seither hat sich viel verändert, die kantigen Protagonisten der politischenLager gibt es nicht mehr, die kantigen Journalisten (legendär: Herr Wöhner, Herr Lüg) auch nicht, aber die Zahl der Programme hat sich vervielfacht; das ist ein Problem, sie ist unüberschaubar. Und wenn dann trotz der vielen Kanäle der Sturm aufs Kapitol nicht ins Live-Programm gehoben wird, ist das ein fundamentaler Fehler. Auch das darf man: heftig kritisieren, übrigens auch in den Gremien der Sender. Mit meiner Meinung halte ich nicht hinterm Berg, auch in sozialen Medien nicht. Es hat mir bisher nicht geschadet. Ich werde sogar gefragt, wie ich bestimmte Formate oder Sendungen beurteile…Manches verstehe ich auch nicht, als Ex-Journalist schon gar nicht. Man zahlt irre Summen für Sportrechte, die dies nicht wert sind. Man hat die Doping-Tour-de-France lange kritiklos zelebriert. Das Radio der Star-Moderatoren ist zum Format-Radio geworden, aber auch dort profilieren sich Moderatorinnen und Moderatoren (oder auch nicht), das Fernsehen bietet Aktuelle Informationen. Programmkritik ist tägliche Aufgabe. Aber es gibt auch Grundfehler:Die langen Strecken, in denen man etwas ausführen konnte, verschwinden. Sagen die Kritiker. Zu Recht. Doch die langen Strecken kommen jetzt über Podcasts wieder, ich bin selbst schon zweimal auf SR-Podcast unterwegs gewesen. Aber noch sind das Nischen. Manchmal macht es der Öff-Rechtl Rundfunk seinen Kritikern leicht. Er hat sich breit gemacht mit vielen Kanälen und Programmen, die austauschbar sind. Er hat in fast allen Landesrundfunkanstalten ohne Not einen Teil seines Bildungs – und Kulturauftrags aufgegeben und produziert zum Teil anachronistisch für eine alte Zielgruppe. Er sendet massenhaft Unterhaltungskram und Degeto-Dutzendware. Und er hat zu viele Häuptlinge. Das ist alles richtig. Und richtig ist auch, dass man über AT-Verträge reden muss. Aber richtig ist eben auch, dass ARD und ZDF und Deutschlandfunk mit Abstand die besten Nachrichten- und Hintergrundsender Deutschlands sind. Tagesschau und heute sind Flaggschiffe, denen die Privaten nicht das Wasser reichen können. Richtig ist, dass die Korrespondenten der Öffentlich-Rechtlichen professionell und souverän aus aller Welt informieren, vernetzt mit weltweiten Partnersendern. Richtig ist, dass ARD und ZDF exzellente Filme und Dokus produzieren, wenn sie wollen und die nötigen Ressourcen haben. Es gibt grandiose Programme und Sendungen, die leider in der Nische bleiben, weil zu wenige Programmmacher den Mut zum programmatischen Risiko haben. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, das Schielen auf Quote produziere auch Quoten. Und es ist auch ein Irrtum, zu glauben, mit massentauglicher Ware könne man Massen auf Dauer binden. In den Mediatheken der Sender finden sich riesige Schätze. Sie müssten aber einfacher findbar und besser präsentiert sein – auch wenn dies mit dem Hauptprogramm konkurriert. Überhaupt ist on-Demand ein Schlüssel der Zukunft. Und ja: Die Politiker der Mittelstandsunion MIT haben durchaus Recht, wenn sie das Informations- und Bildungsangebot stärken wollen und neben der Auslandsberichterstattung mehr Dokumentationen zusätzliche Liveübertragungen von politisch, wirtschaftlich sowie gesellschaftlich relevanten Ereignissen sehen wollen. In diesem Sinne ist die Forderung nach substantiellen Reformen gerade in Zeiten des fundamentalen Umbruchs richtig. Ja, ich bin für Reformen, für klare Profile, für weniger Sonderkanäle, die nur abspielen, was anderswo schon gelaufen ist. Aber ich bin auch für Power und Stärke in den relevanten Programmbereichen, fürs digitale Aufrüsten mit Top-Qualität und Unterhaltungswert.Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk hat einen milliardenschweren Wert. Er hat PUBLIC VALUE. Den kann er selbstbewusst vertreten. Und er muss sich bewegen. Reformen sind zwingend. Aber darum geht es den MIT-Autoren um den Merz-Freund Carsten Linnemann und den neoliberalen Wirtschaftsprofessor Justus Haucap nicht in erster Linie. Sie wollen ja keine überschaubare Sturktur der Rundfunkanstalten, keine Programm- und Sendervielfalt. Sie wollen das Gegenteil. Linnemann und Co wollen das System zerschlagen. Sie spielen nolens volens oder bewusst das Spiel der Verleger. Sie wollen das radikale Eindampfen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, sie wollen Kahlschlag, sie wollen, dass weite Teile des Angebots gestrichen werden, sie wollen, dass »ein signifikanter Teil der jetzigen Sender und Programme entfallen« soll – natürlich die lukrativen. Ist ihnen einfach oft zu kritisch, was die öffentlich-rechtlichen Sender senden? So scheint es. Fakt ist: Vergleichen mit einen Zeitungsabo ist der Rundfunkbeitrag sehr preiswert. Aber natürlich ist das bares Geld. Die Linnemanns haben andere Vorstellungen- Geplante systematische Zerschlagung der Rundfunkstrukturen – das ist der wahren Hintergrund der MIT-Vorstellungen, die bisher öffentlich präsentiert wurden. Damit legen sie Hand an Pluralismus und Meinungsfreiheit. Und das halte ich – zugespitzt – für eine Schande. Dabei bleibe ich. Von dieser Meinung wird mich auch niemand abbringen.

Dr. Armin König