Zweifel an Direktwahl der Bürgermeister? Warum bloß? Da geht es doch wohl um Macht

Von Dr. Armin König

Die Förderung der direkten Demokratie bei fundamental wichtigen Wahlen (Urwahlen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister) hatte seit den 1990er Jahren mächtigen Auftrieb. Das kam vor allem der Bürgerschaft zu Gute, die die Urwahl auch eingefordert hatte. Das gilt auch für das Saarland.

Das Volk will die Direktwahl

Nachdem Ende der achtziger Jahre im Saarland immer häufiger der Wunsch nach der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten aufkam, ohne dass die Politik dem Rechnung trug, sorgte ein Volksbegehren für einen Sinneswandel in der Politik. So wurden im April 1994innerhalb weniger Tage 15 000 Unterschriften für die  ‚Direktwahlen’-Initiative gesammelt. Das hatte Folgen. Der damalige Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende Oskar Lafontaine reagierte sofort. Auf einem Sonderparteitag beschloss die damals alleinregierende SPD am 17. April 1994 die Einführung der Direktwahl beschlossen. Schon am 11. Mai 1994 verabschiedete der Landtag das Gesetz Nr. 1334 zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Kommunalselbstverwaltungsrechts und des Kommunalwahlrechts (Amtsblatt des Saarlandes 1994 S. 818).

Die erste Direktwahl im Saarland fand am 25. September 1994 in Wallerfangen statt. In einer Stichwahl setzte sich Wolfgang Wiltz (CDU) mit 56,6 Prozent der Stimmen durch.

In Illingen wurde 1996 erstmals der Bürgermeister direkt gewählt. Ich habe damals in einer Stichwahl gegen Walter Schreiner gewonnen. Bis 2021 war ich noch Mitglied der CDU.

 

Das ist Bürgerpolitik pur: Urwahl gibt den Menschen mehr politischen Einfluss

Die Direktwahl der Bürgermeister*innen hat sich bewährt.  Sie gibt dem Volk mehr Macht und Einfluss auf die Politik. Das ist Bürgerpolitik pur. Mittlerweile hat es im Saarland über 200 Bürgermeisterwahlen gegeben. Die Amtsinhaber und Amtsinhaberinnen kommen aus unterschiedlichsten Berufen. Viele von ihnen sind in Vereinen engagiert und haben ein Faible für die Zivilgesellschaft.

 

Wer die Urwahl in Zweifel zieht, hat Eigeninteressen

Mittlerweile ist die Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wieder ins Blickfeld parteipolitischer Diskussionen gerückt. Das hängt sicher mit der zunehmenden Wahl unabhängiger Kandidatinnen und Kandidaten zusammen. Die wachsende Parteienverdrossenheit mag dazu beitragen. Kritisiert werden auch die Kosten dieser Direktwahlen. Allerdings sind diese Kosten, legt man sie auf die Amtszeit von zehn Jahren um, lächerlich gering, verglichen auch  mit den kommunalen Aufwendungen für bürokratische Aufgabenfelder, in denen es nicht um demokratische Mitwirkung geht. 

Die Diskussion, die im übrigen auch von der Saarbrücker Zeitung (und hier insbesondere von ihrem Landespolitik-Redakteur Dr. Daniel Kirch) geführt wird, ist also in gewissem Umfang scheinheilig. Sie sind auch nur schein-populistisch (Kosten).  Er handelt gegen die Interessen der Zivilgesellschaft, für die die Direktwahl ein klarer Fortschritt war. Es war ihr größter Erfolg in den 1990er Jahren die Urwahl per Volksbegehren durchgesetzt zu haben.

Ja, es mag dem Einen oder Anderen um Qualifikationen und um Kosten gehen.  Eigentineressen spielen aber die größte Rolle, auch bei der Monopolzeitung, deren Abonenntenzahl drastisch zurückgegangen ist. Also setzt man jetzt mehr auf Boulevard und knallige Online-Anteaser.

 

Es geht doch immer um Macht

Allerdings geht es bei dieser Debatte auch und vor allem um Machtfragen, denn die Urwahl des Rathauschefs verschiebt die Gewichte im Institutionengefüge zugunsten der Bürgermeister. Ob es dabei tatsächlich zu einer »Machtkonzentration auf dieser Position« kommt, wie es die Bundeszentrale für politische Bildung beschreibt, darf bestritten werden. Das hängt immer mit örtlichen Gegebenheiten und der Stärke des Rates zusammen. Außerdem hat die Urwahl zu einer höheren Transparenz, einer größeren Bewerberinnenauswahl außerhalb der parteipolitischen Karrieren und einer stärkeren Bürger-Orientierung der Bürgermeister geführt da diese ja nicht mehr von der Wiederwahl durch den Stadtrat abhängig sind, sondern von der Zustimmung der Bürgerschaft und damit eine erheblich größere Freiheit haben als in der Vergangenheit. Das war zweifellos ein sehr positiver Effekt. Man braucht auch nicht zwingend eine Hausmacht in den Räten. Das ist Unsinn. Entscheidend sind Kommunikation und Kompetenz. Mehrheiten muss man sich erarbeiten.

Lasst die Urwahlen

Gewiss sind mittlerweile angesichts der Marketing-Effekte bei hybriden Wahlkämpfen auch Bürgermeister*innen ins Amt gekommen, die weder politische noch Verwaltungserfahrung noch Hausmacht noch die notwendigen Leadership-Skills und Management-Kompetenzen haben.

Der Autor ist allerdings angesichts jahrzehntelanger eigener Erfahrungen mit Kolleginnen und Kollegen der Aufassung, dass das System dies aushält, zumal es  immer Möglichkeiten gibt, die Kompetenz von Quereinsteiger*innen zu steigern. Es gibt deshalb keine ernst zu nehmenden Gründe, die Urwahl wieder abzuschaffen.

 

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